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Zehn Worte für ein Hallelujah (Teil 3)

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Was ich in dieser sich schnell wandelnden Welt bitter nötig habe, ist ein klarer Fokus auf das Wesentliche.

In diesem Sinne sind auch meine zehn Worte zu verstehen. Sie sind Mittel zum Zweck. Nichts mehr und nichts weniger. Sie sind zudem nicht allgemeingültig. Es sind meine persönlichen zehn Worte. Andere würden andere Worte wählen. Was wären deine?

1. Weniger ist mehr

Ich will zuviel auf einmal. Das ist mein Problem. Anstatt mich auf eine Sache zu konzentrieren und diese richtig gut zu machen, verliere ich mich in Möglichkeiten und Gelegenheiten. Alles ein wenig, aber nichts so richtig.

Die Postmoderne gleicht einem grossen Kreisverkehr mit tausend Ausfahrten. Wenn ich mich für eine Ausfahrt entscheide, verpasse ich die anderen 999. So fahre ich lieber ständig im Kreis, als mich festzulegen. Ich bleibe in Bewegung, aber bewege mich nirgendwo hin.

Diese Strategie ist der Tod der Jesus-Nachfolge. Mit Jesus leben bedeutet, alles andere hinten anzustellen. Sich von den 999 Optionen zu verabschieden. Ich sterbe mit Jesus. Ich sterbe dem kreisenden Treiben dieser Welt. Ich lasse los. Ich lasse es zu. Weniger Optionen ist nicht gleich weniger Leben. Jesus nachfolgen bedeutet Leben lernen. Nicht umsonst sagte Jesus zum reichen Yuppie:

Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!

Jesus nachfolgen bedeutet: Bei Jesus sein, wie Jesus werden und tun, was Jesus tat. Dem will ich mein Leben widmen. Es wird mich alles kosten. Dazu hat mich Jesus berufen. Seinem Ruf bin ich gefolgt. Weil Jesus es wert ist.

2. Wohne bei dir selbst

Zu diesem Thema habe ich unter dem Titel Kein Ersatz einen ganzen Artikel geschrieben. Ist eines meiner Lebensthemen. Ein Schmerzhaftes. Aber da, wo es weh tut, verbirgt sich nicht selten grosses Potential. Dietrich Bonhoeffer schreibt in seinem zeitlos lesenswerten Büchlein Gemeinsames Leben:

Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft.

Johannes Hartl schreibt in der Tagespost:

Wer es nicht gelernt habe, es mit sich selbst auszuhalten, so Bonhoeffer, der missbrauche die Gemeinschaft für seine eigenen egoistischen Ziele. Ganz ähnlich verurteilt der Ordensvater Benedikt die Angewohnheit mancher Mönche, sich herumzutreiben und sich in fremde Angelegenheiten zu mischen, als schweres Übel. Habitare secum, bei sich selbst wohnen, das solle ein Mönch lernen.

Nun bin ich zwar kein Mönch, aber bei mir selbst wohnen, das muss und will ich neu lernen. Dafür gibt es nur einen Weg: Das Tempo drosseln. Runter vom hohen (Karussell-) Pferd. Aussteigen. Ausbrechen. Innehalten. Zur Ruhe kommen. Bei mir selbst ankommen. Bei mir selbst wohnen.

Wenn ein Mensch mich wirklich lieb hat, dann wird er an dem festhalten, was ich gesagt habe, und das in die Tat umsetzen. Dann wird auch mein Vater ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen. (Jesus aus Galiläa)

Auch Jesus und sein Vater wollen bei denen wohnen, die ihn lieben. Verblüffende Ansage. Jesus will bei mir wohnen. Und sein Vater gleich mit ihm. Ich scheine bewohnbar zu sein. Es ist, als ob Jesus zu mir sagen würde: "Ich seh etwas, das du nicht siehst..."


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3. Wähle die Wahrheit

"Was ist Wahrheit?" fragte der Stadthalter Pilatus, als Jesus vor ihm stand. Gute Frage. Wichtige Frage.

Der ideale Untertan totalitärer Herrschaft ist nicht der überzeugte Nazi oder Kommunist, sondern Menschen, für die der Unterschied zwischen Wahr und Falsch nicht mehr existiert. Hannah Arendt

In seinem neusten Buch Live No Lies, das im Oktober 2022 bei Fontis in Deutsch erscheint, bringt John Mark Comer eine Defintion, die mich überzeugt:

Die beste Definition von Wahrheit, die ich kenne, ist diese: „Wahrheit ist Realität bzw. das, was der Realität entspricht.“ Lassen wir den Dschungel der philosophischen Feinheiten und einigen wir uns als Laien darauf, dass Wahrheit das ist, was real ist. Der Stuhl, auf dem ich gerade sitze, ist real. Die Luft, die ich einatme, ist real. Jesus ist real.

Und die beste Definition von Realität, die ich kenne, lautet so: „Realität ist das, womit ich unweigerlich zusammenstoße, wenn ich falsch liege.“

Wenn du sagst: „Ich glaube, ich kann fliegen!“ und vom Dach eines zehnstöckigen Gebäudes springst, dann ist die Realität das, auf was du ein paar Sekunden später aufschlägst. Ähnlich ist es, wenn jemand mit dem Kopf durch die sprichwörtliche Wand will. Wenn wir etwas „Lüge“ nennen, meinen wir, dass es nicht mit der Realität übereinstimmt.

Die Wahrheit wählen bedeutet dementsprechend: Die Realität wählen. Menschen, die Jesus nachfolgen, sind Menschen, die der Realität ins Auge blicken, weil sie durch Jesus eine ganzheitliche Sicht der Realität geschenkt bekommen.

Jesus hat keine Berührungsängste mit Kranken, weil er die Realität der himmlischen Heilungskraft kennt und grosszügig weitergibt. Jesus hat keine Angst, seinen Ruf durch Gemeinschaft mit zwielichtigen Gestalten zu verlieren, weil er in der Realität der väterlichen Liebe Gottes ruht. Die Wahrheit wählen bedeutet für mich, ein Leben nah bei Jesus zu wählen, der von sich sagt: "Ich bin die Wahrheit."

4. Wandle gemächlich

Dallas Willard sagte Folgendes zu John Ortberg, als dieser ihn um Rat fragte, wie er sein geschäftiges Leben als Lehrpastor der Willow-Creek Kirche auf die Reihe bringen soll:

Rastlosigkeit ist der grösste Feind von geistlicher Reife in unserer Zeit. Wir müssen die Rastlosigkeit schonungslos aus unserem Leben verbannen.

Das japanische Theologe Kosuke Koyama drückt es so aus:

Gott geht gemächlich, weil er Liebe ist. Wäre er nicht Liebe, so würde er viel schneller gehen. Liebe hat ihr Tempo. Eine innere Geschwindigkeit. Anders als das Tempo unseres technologischen Zeitalters, an das wir uns so sehr gewöhnt haben. Das Tempo der Liebe ist gemächlich.

Die Rastlosigkeits-Krankheit zeigt folgende Symptome:

  1. Schnell irritierbar
  2. Hypersensibel
  3. Nervös
  4. Arbeitssüchtig
  5. Emotionale Taubheit
  6. Ungeordnete Prioritäten
  7. Vernachlässigung des Körpers
  8. Sich betäuben
  9. Das geistliche Leben verkümmern lassen
  10. Rückzug und Isolation

Es gibt nur eines: Aufhören. Anhalten. Pausieren. Ruhen. Sich FREUEN! Auf hebräisch heisst das: SHABBAT. Das dritte der zehn Gebote. Wenn wir lernen den Sabbat zu halten, werden wir auch die anderen 6 Tage anders leben. Sabbat ist nicht nur ein Tag, sondern ein Lebensstil. Aus der Ruhe in die Arbeit gehen. Statt umgekehrt. So will ich leben. So helfe mir Gott.

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5. Wenden statt jammern

Und du stehst im Regen
und du wirst nicht nass
Es regnet an dir vorbei
Über deinen Lieblingswitz
hat wieder keiner gelacht
Tu dir leid, tu dir leid, tu dir leid
(Herberg Grönemeyer)

Wenn ich mich ständig selbst bemitleide und meine Lage beklage, kann ich am Ende nur verlieren. Warum? Weil sich alles nur um mich dreht und ich mich zunehmend von der Realität entferne (Punkt 3 lässt grüssen!).

Selbstmitleid ist das mit Abstand schädlichste, nichtpharmazeutische Betäubungsmittel: Es macht süchtig, beschert kurzzeitig eine Art Wohlgefühl und isoliert sein Opfer von der Wirklichkeit. John W. Gardner

Jesus, die Wahrheit in Person, ist gekommen, um uns Menschen zurück in die Realität zu holen. Darum beinhaltete seine Hauptbotschaft folgendes:

»Die Zeit ist gekommen, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt diese gute Botschaft!«

Die gute Botschaft lautet: Es gibt mehr als mich selbst! Wenn ich selbst das Zentrum bin, kann mich niemand erlösen, wenn ich Not bin. Wenn jedoch mein himmlischer Vater das Zentrum ist, darf ich mich von mir und meinen Nöten abwenden, und mich ihm vertrauensvoll zuwenden:

Macht euch um nichts Sorgen! Wendet euch vielmehr in jeder Lage mit Bitten und Flehen und voll Dankbarkeit an Gott und bringt eure Anliegen vor ihn. Philipper 4,6


Fortsetzung: 10 Worte für ein Hallelujah (Teil 4)

Zehn Worte für ein Hallelujah (Teil 3)
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