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Zehn Worte für ein Hallelujah (Teil 2)

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Immer diese besserwisserischen Auflistungen trivialer Pseudo-Weisheiten. Wozu eigentlich? Eine Suche nach Antworten.

Nach meiner etwas ausufernden Einführung in die Thematik (Teil 1), erlaube ich mir auch im zweiten Teil ein paar metaphysische Kapriolen. Hier tippe ich. Ich kann nicht anders. Wer bis zum Ende mit mir ausharrt...

Zu Beginn erst nochmal meine 10 W-Worte, die ich zusammentrug, um mein Leben in eine gesunde Richtung zu führen:

  1. Weniger ist mehr
  2. Wohne bei dir selbst
  3. Wähle die Wahrheit
  4. Wandle gemächlich
  5. Wenden statt jammern
  6. Warte auf den Herrn
  7. Weisheit erbitten
  8. Wertschätze den Schmerz
  9. Wasser statt Zucker
  10. Willkommen im Leben

Warum muss immer alles nummeriert sein?

Ist ja so ne In-Sache, nummerierte Listen zu schreiben. "Ein fauler Verkaufstrick", dachte ich lange, im Stil von "10 Punkte, wie du dein Leben optimieren kannst!" Scheitern tun wir dann bei der Umsetzung. Aber ich muss zugeben: Zahlen haben etwas. Sie machen was mit uns. Auch mit mir. Warum eigentlich?

Zahlen geben uns das Gefühl, die Lage überblicken zu können. (Spiegel Wissenschaft)

Wie verlässlich Zahlen sind, ist eine andere Frage, nämlich die: Wem sollen sie dienen? Ganz nach dem Motto: "Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!" Ein faszinierendes Beispiel ist die geographische Vermessung von Mutter Erde. "Die Messbarkeit der Welt: Wie Zahlen unser Weltverständnis prägen – und was das bedeutet" betitelte die NZZ einen ihrer Artikel:

Generationenlang gehörte der Globus zur Grundausstattung eines bürgerlichen Haushalts. Als beruhigendes Zeichen dafür, dass alles auf der Welt seine Ordnung hat.

Jedem seinen Beruhigungs-Globus, keine schlechte Strategie. Auch wir haben mehr als einen im Haus. Und in unserer Küche hängt eine grosse Weltkarte über der Sitzbank. Doch da stimmt's dann definitiv nicht mehr mit den Proportionen.

"Weltkarten haben ein fundamentales Problem," schreibt Daniel Huber in einem Artikel auf Watson, "Sie stimmen nicht. Genauer gesagt: Sie sind nie in jeder Hinsicht wirklichkeitsgetreu. Entweder stimmt die Form der Kontinente, dafür sind die Flächen verzerrt. Oder die Flächen sind korrekt dargestellt – auf Kosten der richtigen Form." Auch der japanische Architekt Hajime Narukawa störte sich an den Unzulänglichkeiten der Mercator-Projektion – und hat deshalb bereits 1999 eine neue namens «AuthaGraph» entwickelt.

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Photo by Hajime Narukawa / AuthaGraph

Ich fasse kurz zusammen: Zahlen können beruhigend wirken. Es gilt aber immer zu prüfen, welchem Ziel und Zweck sie dienen. Zum Schluss dieser kleinen Weltreise ein nicht unbedeutender Fakt: Der Kontinent Afrika ist viel grösser, als auf den meisten Weltkarten dargestellt. Ein Zufall?

Was sage ich zu mir selbst?

Zurück zum eigentlichen Thema: Warum bin auch ich der Versuchung erlegen, meine eigenen 10 Worte ins Universum rauszuhauen? Gibt's nicht schon genug solche Listen und Regeln? Doch, ja. Aber keine, die von mir stammt! Und das ist kein unwesentlicher Grund. Denn egal, was andere sagen und schreiben (des vielen Büchermachens ist kein Ende), die Schlüsselfrage lautet immer: Was sage ich zu mir selbst? Was spreche ich über meinem Leben aus? Wie kommentiere ich das, was mir widerfährt?

Konstruktiver Input von Aussen ist natürlich immer willkommen. Doch am Ende des Tages kommt's eben drauf an, was ich damit mache, ob ich mir den Input zu eigen mache. Ich wiederhole zwei Zitate zum Thema Resilienz aus Teil 1:

Die resilientesten Menschen sind sich bewusst, was sie zu sich selbst sagen, über die Dinge, die in ihrem Leben passieren.
– John Maxwell

Entscheidend ist nicht, was dir im Leben passiert. Entscheidend ist, was du darüber denkst und sagst, was dir in deinem Leben passiert.
– Valorie Burton

Nur so konnte es sich Viktor Frankl im Nachhinein erklären, warum er als Häftling eines Nazi-Konzentrationslagers nicht an seinem Schicksal verzweifelte. Eines seiner bekanntesten Werke ist das im Jahr 1946 erschienene …trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager, in dem Frankl seine Erlebnisse und Erfahrungen in vier verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Auschwitz, während des Zweiten Weltkriegs, schildert.

Das zentrale Erlebnis im Konzentrationslager war für Frankl die Erfahrung, dass es möglich ist, auch noch unter inhumansten Bedingungen einen Sinn im Leben zu sehen. So beschreibt er, dass diejenigen Häftlinge eine bessere Chance hatten, zu überleben, die jemanden hatten, der auf sie wartet. Für Frankl selbst war es die Vorstellung, dass er in der Zukunft Vorlesungen über die Auswirkungen des Lagers auf die Psyche halten wird. (Wikipedia)

Die Vorstellung von dem, was danach kommt. Die Hoffnung darauf, dass jemand auf mich wartet. Sehr beeindruckend. Und sehr ernüchternd. Was wir mehr als alles brauchen, sind solche hoffnungsvollen Denkmuster. Diese können zwar die Situation nicht ändern, aber unseren Umgang damit sehr wohl.

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Photo by Hannah Busing / Unsplash

Das Beste kommt noch

Der Grund, warum ich meine eigenen 10 Worte schrieb, liegt in den Worten, mit denen Corrie Ten Boom eines ihrer Bücher betitelte:

Freu dich, das Beste kommt noch!

Wenn das Beste noch bevorsteht, habe ich einen Grund, das Hier und Jetzt mit Würde zu ertragen. Auch für Corrie, die zusammen mit ihrer Schwester ins KZ Ravensbrück deportiert wurde, weil sie mit ihrer Familie mehrere jüdische Familien in ihrem Haus hinter einem Verschlag versteckte und versorgte, war diese Lebenseinstellung leichter gesagt, als getan. Anders als ihre Schwester Betsie ten Boom überlebte sie die Qualen. Ihr zentrales Thema war deshalb Vergebung, die nur durch Gottes Hilfe möglich ist, wie sie immer wieder betonte.

Vergebung führte Corrie dazu, sich mit ihrer Vergangenheit zu versöhnen. Das braucht Reflexionswille. Und Denkarbeit. Das Erlebte in Worte fassen. Die Dinge beim Namen nennen. Niederschreiben. Aussprechen. Ins Gebet nehmen und Gott um Hilfe bitten, für eine gesunde, nachhaltige Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse.

Es ist ein Weg. Ein Unterwegssein mit Jesus. Auch ich durfte feststellen: Das macht etwas mit mir. Ich verarbeite. Ich bekenne. Ich vergebe. Ich bereue. Ich bitte um Vergebung. Ich kehre um. Ich lasse los. Ich versöhne mich, mit Gott, mit Menschen und mit meiner ganz individuellen Geschichte. Somit auch mit mir selbst. Ich umarme meine Geschichte. Bin dankbar für das Gute. Bin mittlerweile auch dankbar für das Schlechte. Für meine Fehler, aus denen ich lernen durfte. Für die Unfälle, die ich überleben durfte. Für die Schmerzen, die mir andere zufügten und die mich in die Arme von Jesus drängten.

Ich bin dankbar, weil Gott auch aus dem tiefsten Minus ein überragendes Plus machen kann. Er nahm mein Abscheulichstes mit in den Tod am Marterpfahl. Dort am Kreuz bin ich mit ihm gestorben und begraben worden. Und mit Jesus bin ich zu einem neuen Leben auferstanden. Ein Leben ohne Bitterkeit und Vergeltungssucht. Ein Leben voller Hoffnung auf das Beste, was noch kommen wird.

Die entscheidende Frage lautet: Wie lebe ich dieses neue Leben? Wie deute ich das, was mir passiert? Eines ist für mich heute klar: Es ist Gnade. Und diese Gnade will ich nicht gering achten.

Die meisten Menschen führen ihr Leben nicht. Sie akzeptieren ihr Leben. Wenn du dein Leben gut führen willst, beginnt alles mit deinen Gedanken.
– John Maxwell

Ich will mein neues Leben mit Jesus nicht nur akzeptieren. Jesus kann man entweder ablehnen, oder anbeten. Akzeptieren ist zum Kotzen. "Ja, dann halt, wenns nicht anders geht, dann lebe ich halt mit diesem Jesus..." Als ob er ein notwendiges Übel wäre. Diese Haltung strotzt vor Selbstvergeilung. Wenn eine Pflanze vergeilt, schiesst sie hoch hinaus und verliert ihre Stabilität. Grund dafür ist Lichtmangel. Wenn wir ein Leben in der finsteren Egokammer verbringen, vergeilen wir zunehmend. Das Licht des Lebens fehlt uns. Damit das nicht (mehr) passiert, suche ich nach alltagstauglichen Leitlinien. Nach Gedankenmustern, die mich auf das Leben im Licht ausrichten. Auf ein Leben für ein Hallelujah.


Photo by Hannah Busing / Unsplash

Für ein Hallelujah

Die Frage nach dem Wofür oder Wozu, ist eine Frage, die den Blick nach Vorne richtet, auf ein Ziel hin. Die Warum-Frage hingegen schaut zurück. Die Gründe können aber längst nicht immer geklärt werden. Das Wofür ist die Frage nach dem Sinn. Wenn wir ein sinnvolles Wozu vor Augen haben, können wir sogar unmenschliche Umstände aushalten. Wie oben erwähnt, fand Viktor Frankl Hoffnung und Überlebenswillen in der Vorstellung, dass er in der Zukunft Vorlesungen über die Auswirkungen des Konzentrations-Lagers auf die Psyche halten wird.

Wozu also 10 Worte? Genau: Für ein Hallelujah. Ein religiöses Wort, das aber auch in der säkularen Welt bekannt wurde, z.B. das gleichnamige Lied von Leonard Cohen, das sich v.a. auch durch Coverversionen von Jeff Buckley, Rufus Wainwright und der A-cappella-Formation Pentatonix ins internationale Liedgut einreihte. Oder eben die besagten 4 Fäuste aus Italien, deren deutscher Filmtitel ich hier paraphrasiere.

Ich beziehe mich aber auf ein anderes Hallelujah: Das Original.

Halleluja ist die deutsche Transkription des hebräischen הַלְּלוּיָהּ (hallelu-Jáh). Es setzt sich zusammen aus dem Imperativ Plural preiset von hillel (hebräisch für „preisen, verherrlichen, ausrufen“) und Jah, der Kurzform des Gottesnamens JHWH. Wörtliche Übersetzung: Lobet Jah! (Wikipedia)

Das Hallelujah der Bibel ist eine Lebenseinstellung. Mehr noch: Eine Weltsicht! Es definiert den Fixpunkt. Die Grundlage. Das Ziel. Das Warum. Das Wozu. Paulus formuliert es so:

Gott ist es, von dem alles kommt, durch den alles besteht und in dem alles sein Ziel hat. (Brief an die Römer 11,36f)

Steven J. Lawson schreibt dazu:

Dies ist der reichhaltigste Satz, der je geschrieben wurde. Er ist nicht weniger als eine vollständige christliche Weltanschauung, enthält quasi eine systematische Theologie. Er bringt die Geschichte der ganzen Bibel in wenigen Worten aufs Papier. Er fasst die Geschichte der Welt kurz und prägnant zusammen. Nichts liegt außerhalb der Parameter dieses Dreiklangs. „Alle Dinge“ umfasst alles in drei großen Bereichen: Schöpfung, Geschichte und Erlösung."

Der höchste Zweck der physischen Welt ist es, Gottes Schönheit zu zeigen. Alles, was Gott in der Geschichte inszeniert, dient dazu, seine Grösse und Pracht zu demonstrieren. Alles hat dieses höchste Ziel: Soli deo gloria – allein zur Ehre Gottes.


Zehn Worte für ein Hallelujah (Teil 2)
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