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Sei still und erkenne

Sara Schneiter Sara Schneiter

Wenn plötzlich alles anders kommt, alles still wird und bekannte Muster nicht mehr funktionieren. Darin bekomme ich die Chance für einen neuen Rhythmus.

Seid still und erkennt, dass ich Gott bin; ich werde erhaben sein unter den Völkern, ich werde erhaben sein auf der Erde!
Psalm 46.11

Es war Mittwochabend anfangs Juni. Die Probe für den Einsatz im Gebetsraum war vielversprechend gelaufen. Ich war inspiriert und freute mich riesig auf das Mitwirken am Wochenende. Erfüllt und zufrieden ging ich schlafen. Am Samstag wäre es soweit. Doch es kam anders und was stattdessen auf mich wartete, hätte ich mir niemals ausgesucht: Persönlicher Lockdown. Verordnete Zeit der Stille. Kein Ausweg, keine Abkürzung. Ein Tal, durch das ich gehen musste. Und zwar allein.

Eine Mittelohrentzündung traf mich unvorbereitet und legte mich für vier Wochen lahm. Wie aus dem Nichts tauchten die Schmerzen auf. Anfangs war ich überzeugt, dass sich das schnell wieder legen würde. Gott würde mich berühren und ich am Samstag Zeugnis geben, wie er mich geheilt hat. Er will doch sicher, dass ich da dabei sein kann. Oder er berührt mich während ich im Livestream dabei bin und voll mitgehe. Es kam anders. Und es dauerte ganz schön lange, bis ich mir das eingestehen konnte. Bis ich mich ergeben konnte. Bis ich wirklich stillhalten konnte.

Aussen und Innen

Äusserlich kamen all meine Aktivitäten abrupt zum Stillstand. Meine Agenda wurde leergefegt. Wieder und wieder musste ich Verpflichtungen, Termine, Einsätze absagen. Meine Seele brauchte mehr Zeit um loszulassen. Um still zu werden. Jemand hat mal gesagt: "Ich bin nicht, was ich tue." Aber, wer bin ich noch, wenn ich nichts mehr tun kann? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr für andere da sein kann? Wer bin ich, wenn ich meine Dienste in der Kirche nicht mehr wahrnehmen kann? Fragen, die ich mir schon oft gestellt habe. An denen ich mein Herz immer wieder geprüft habe. Doch in dieser Situation gingen sie tiefer.

Weniger tun, mehr sein.

Mein Hörvermögen war stark eingeschränkt und sogar Musik hören oder singen war unaushaltbar, weil es so schief klang. Musik half mir doch sonst so oft meinen Fokus wieder zu finden. Nun war es still. Da war nur noch ich und Gott. Und sein Wort. Brauche ich mehr? So lange ich auf nichts verzichten musste, war es leicht zu sagen: «Gott ist alles, was ich brauche». Doch, wie sieht's aus, wenn plötzlich so vieles wegfällt?

Bible and a cup of tea
Photo by Sixteen Miles Out / Unsplash

Lesen war eine der wenigen aktiven Tätigkeiten, die ich noch ausführen konnte. Und beten. Also fing ich an den Psalm 23 auswendig zu lernen. Vers für Vers. Und ich betete ihn immer wieder vor mich hin. Sprach die Verse als Wahrheit über meinem Leben aus.

Du, Herr bist mein Hirte, darum leide ich keinen Mangel.
Du bringst mich auf Weideplätze mit saftigem Gras und führst mich zu Wasserstellen, an denen ich ausruhen kann.
Du stärkst und erfrischst meine Seele. Du führst mich auf rechten Wegen und verbürgst dich dafür mit deinem Namen.
Selbst wenn ich durch ein finsteres Tal gehen muss, wo Todesschatten mich umgeben, fürchte ich mich vor keinem Unglück, denn du, HERR, bist bei mir! Dein Stock und dein Hirtenstab geben mir Trost.
Du lädst mich ein und deckst mir den Tisch selbst vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl, um mich zu ehren, und füllst meinen Becher bis zum Überfliessen.
Nur Güte und Gnade werden mich umgeben alle Tage meines Lebens, und ich werde wohnen im Haus des HERRN für alle Zeit.
Psalm 23

Ein tiefer Friede breitete sich in meinem Innern und in meinem Zimmer aus. Gottes Wort tröstete mich, stärkte und machte mich ruhig. Es wurde zu einem Anker für meine Seele.

Erkenntnis und Veränderung

Wenn ich heute mit etwas Abstand auf diese vier Wochen zurückschaue, umschreibt ein Vers in den Psalmen, was in dieser Zeit mit mir geschehen ist:

Seid still und erkennt, dass ich Gott bin;
Psalm 46.11

Ich romantisiere hier keine Krankheiten. Gott möchte, dass wir gesund sind, er will heilen und uns stärken. Doch er braucht alles, um uns in die Fülle einzuladen, die er für uns bereithält. Denn am allermeisten möchte Gott, dass wir mit ihm leben. Mit ihm Gemeinschaft haben. Dass er Raum hat in unserem Leben. Dass seine Liebe uns durchdringen kann. Aus Gnade unterbricht er uns. In Liebe zieht er uns an sein Herz. Und so hat er in Liebe an mir gewirkt und zu mir gesprochen mitten in dieser unangenehmen Zeit.


Photo by Aaron Burden / Unsplash

Gott forderte mich auf still zu sein. Zu schweigen. Mich nicht aufzulehnen. Mich auch nicht abzulenken. Einfach stillhalten. Und all mein eifriges Tun für einen Moment beiseitelassen. Er lud mich ein, innezuhalten. All mein Bestreben zu stoppen und zu sein. Aufhören. Das ist einfach und doch tue ich mich so schwer damit.

Es erinnerte mich an Mose, als er in die Wüste flüchten musste und vierzig Jahre (!) dort verbrachte. Auch sein Terminkalender war von heute auf morgen leer und bestimmt brauchte auch seine Seele länger bis sie in der Wüste ankam. Doch dort in der Abgeschiedenheit, in der Ruhe und im Verborgenen tut Gott so oft sein Werk. Dort durfte ich erkennen: Er ist Gott und ich bin es nicht. Das löst Ehrfurcht aus. Er hat mein Leben in der Hand. Er ist erhaben über ganze Völker und die ganze Welt.

Seid still und erkennt, dass ich Gott bin; ich werde erhaben sein unter den Völkern, ich werde erhaben sein auf der Erde!
Psalm 46.11

Doch so eindrücklich und prägend diese Erfahrung auch war, ich bin in der Gefahr zurück zum Alten zu gehen. Mein Leben nach und nach wieder wie vor der Krankheit weiterzuleben. Meinen alten Rhythmus wieder aufzunehmen. Wieder zu vergessen, dass er Gott ist und ich eben nicht. Wieder zurück zu holen, was mir vorher Identität, Sicherheit und Bestätigung gab.

Damit sich dauerhaft etwas verändert, muss ich das weiterhin üben. Ich darf üben still zu sein, immer wieder all mein Bestreben stoppen, alles liegen lassen. Üben die Stille auszuhalten. Mir wieder bewusst werden, dass Gott und sein Wort genügen. Es braucht einen festen Platz in meinem Leben. In meinem Alltag. Gott lädt mich ein einen neuen Rhythmus zu finden.

Den Rhythmus seiner Gnade.

Sei still und erkenne
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