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Der sich dem Löwen stellt

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Wenn du im vornherein wüsstest, dass du mit hoher Wahrscheinlichkeit kläglich scheitern wirst, welchen Traum würdest du trotzdem verfolgen?

Die Bibel stellt uns Benaja als einen tapferen Krieger aus Kabzeel vor, einem der entlegensten Orte in Juda. Sein Vater Jojada hatte ein ziemlich ungewöhnliches Leben: Er war zugleich Priester und Vorsteher des Hauses Aarons, als auch im Dienst des Militärs tätig. Somit kam Benaja aus dem Stamm Levi und war ein Nachfahre Aarons. Über Jojada erfahren wir, dass er 3.700 Männer sammelte, um David bei seiner Krönung in Hebron zu unterstützen, als das Königtum von Saul an David überging. Wie jeder Vater beeinflusste auch Jojada Benajas Männerbild: Der Mann als geistlicher Leiter und tapferer Kämpfer.

Neben all den wagemutigen Kriegern an Davids Seite, gab es 30 Männer, die sich einen Heldentitel verdienten. Benaja war einer von ihnen. Er war der Anführer zweier Söldnerarmeen, die David unterstanden: den Kretern und Pletern. Noch bevor David in Hebron zum König gekrönt wurde, stand Benaja bereits an seiner Seite. Und obwohl David vom damaligen König Saul gejagt wurde, sich mit seinen Kameraden in der Wüste verstecken musste und scheinbar nie den Thron besteigen würde, sieht Benaja in ihm den von Gott erwählten König, dem er treu nachfolgen möchte. Auch während der 40-jährigen Regierungszeit Davids stand Benajas Loyalität nie infrage. Diese enge und über gefahrenreiche Jahre hinweg erprobte Freundschaft erklärt, warum David Benaja zum Anführer seiner Leibwache setzt. Angesichts Davids unzähliger Feinde brachte dieser Job eine sehr hohe Verantwortung mit sich.

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Drei Heldentaten

Was machte Benaja zum Helden? Neben vielen anderen sind es insbesondere drei Taten, die in 2.Samuel 23 und 1. Chronik 11 näher beschrieben werden:

1. Benaja besiegt die "Gotteslöwen" aus Moab

Die Bibel beschreibt Benajas Gegner aus Moab als „löwenähnliche“ Krieger. Die Bedeutung des hebräischen Wortes im Urtext ging verloren, ähnelt aber dem Wort für Löwe. Wir können nur erahnen, von welcher Gestalt diese Gegner waren, damit diese Tat unter den 30 Helden berühmt wurde.

2. Benaja besiegt einen Riesen aus Ägypten

Dabei trat Benaja nur mit einem Stock bewaffnet an, gegen diesen furchteinflößenden Ägypter, der mit über 2.50 Meter nur etwas kleiner war als Goliath. Der Riese war mit einem Speer bewaffnet, der die Dicke eines Weberbaums hatte, d.h. wie etwa ein Laternenmast. Benaja riss dem Ägypter diesen Speer aus der Hand und gewann den atemberaubenden Showdown, der seinen Heldenmut in ganz Israel berühmt machte.

3. Benaja besiegt einen Löwen in einer Grube bei Schnee

Löwen wiegen bis zu 250 Kilogramm, rennen bis zu 60 km/h schnell und springen bis zu 10 Meter weit und bis zu 3 Meter hoch. Wenn du dich also mit so einem Biest in einer Grube befindest, dann hast du ein gröberes Problem. Wahrscheinlich ist es das letzte Problem, dass du überhaupt hast. Benaja wagte es trotzdem. Seine gewollte Konfrontation mit dem Löwen wurde zu einem Wendepunkt in seinem Leben.

Ein anderes Mal verfolgte er einen Löwen, der in einen Brunnen hineingefallen war. Er stieg hinab und tötete ihn, trotz Schnee und schlüpfrigem Boden. 2.Samuel 23,20

Mit wie vielen Schrammen und Narben Benaja aus diesem Kampf hervorging, wissen wir nicht. Doch eines steht fest: Die Formulierung «Ich erschlug einen Löwen in einer Grube an einem schneereichen Tag» macht einen ziemlich guten Eindruck in einem Bewerbungsschreiben für eine Bodyguard-Stelle am Königshof in Jerusalem. Benaja wurde als tapferer Löwenjäger im ganzen Land berühmt. Sein ganzer späterer Aufstieg, über die Chefposition der Leibwache Davids, bis hin zum obersten Heerführer unter König Salomo, haben eine direkte Verbindung mit diesem berüchtigten „Kampf oder Flucht“-Moment.

Was wir von Benaja lernen können

Benaja eiferte seinem grossen Vorbild König David nach, der im Glauben an Gottes Möglichkeiten Löwen und Bären, sowie den Riesen Goliath erschlug. Inspiriert durch Davids Gottvertrauen und Mut, stellte sich Benaja dem Löwen mit dem Risiko, die Begegnung nicht zu überleben. Ein gewaltiges Bild auf unser Leben mit Gott.

Gott positioniert uns strategisch am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Doch der richtige Ort fühlt sich oft wie der falsche Ort an und der richtige Zeitpunkt wie der falsche Zeitpunkt. Denn Gottes Berufung für uns beinhaltet so viel mehr, als einfach nur das Falsche zu vermeiden. Es ist möglich, das Falsche zu vermeiden und trotzdem nicht das Richtige zu tun.

Wir sind wie Benaja berufen, in unseren Problemen und Hindernissen nach neuen Möglichkeiten zu suchen, im Vertrauen auf Gott ein Wagnis einzugehen und uns nach dem Besten auszustrecken, das Gott bereithält. Wenn wir im Glauben an Gottes Möglichkeiten keine mutigen Schritte wagen und uns dem Löwen nicht stellen, dann berauben wir Gott seiner Ehre, die ihm rechtmässig zusteht. Geistliche Reife bedeutet somit, die von Gott gewollten Möglichkeiten zu sehen und zu ergreifen.

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Bereit, dumm dazustehen?

An Gott und seine Möglichkeiten zu glauben ist kein Spaziergang. Dieser Glaube beinhaltet nämlich die Bereitschaft, vor anderen dumm dazustehen. Wer mit einem Löwen in eine verschneite Grube steigt, kann nicht ganz bei Trost sein! Genauso fühlt sich Glaube an Gott oft an:

  • Noah stand ziemlich dumm da, als er eine Arche baute
  • David sah total albern aus, als er mit einer Steinschleuder gegen einen Riesen zum Kampf antrat
  • Die 3 Sterndeuter ernteten Unverständnis, als sie einem Stern folgten
  • Petrus machte sich lächerlich, als er aus dem Boot aufs Wasser stieg
  • Jesus zog Hohn und Spott auf sich, als er halbnackt am Kreuz hing

Doch genau das bedeutet Glaube zuallererst: dumm dastehen. Wer mit Gottes Möglichkeiten rechnet und Gottes Ruf gehorsam folgt, stösst schnell einmal auf Unverständnis und Spott. Doch die Resultate sprechen für sich:

  • Noah wurde von der Flut gerettet!
  • David schlug Goliath!
  • Die Sterndeuter fanden Jesus!
  • Petrus lief auf dem Wasser!
  • Jesus auferstand von den Toten!

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Sich der Angst stellen

Du kannst von dem wegrennen, was dir Angst macht, aber du wirst für den Rest deines Lebens wegrennen. Glaube stellt sich der Angst entgegen. Die meisten Ängste haben wir erlernt. Erfahrungen haben unser Herz programmiert. Das bedeutet aber auch, dass unser Herz durch neue Erfahrungen umprogrammiert und neu programmiert werden kann.

Nehmen wir als Beispiel die Angst zu versagen. Erstaunlicherweise ist das Gegenmittel zur Versagensangst ist nicht etwa Erfolg, sondern das Versagen in vielen kleinen Dosen, durch die wir einen neuen, besseren Umgang damit lernen, bis wir immun dagegen sind. Gott ist uns zudem ganz nah in unserem Versagen und will uns aufhelfen und ermutigen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Er gibt uns eine neue Chance.

Es gibt diese berühmte Frage: "Wenn du im vornherein wüsstest, dass du nicht versagen wirst, welchen Traum würdest du verwirklichen?" Eine gute Frage. Meiner Ansicht nach gibt es aber eine noch bessere Frage: "Wenn du im vornherein schon wüsstest, dass du versagen wirst, welchen Traum würdest du trotzdem verfolgen?" Dabei geht es nicht ums gewinnen oder verlieren. Es geht nicht um Erfolg oder Misserfolg. Es geht um Gehorsam. Es geht darum, überhaupt anzutreten und mit Gott etwas scheinbar Unmögliches zu wagen. Wer Gottes Ruf gehorcht, hat später spannende Geschichten zu erzählen. Gott will SEINE GESCHICHTE durch Dein Leben schreiben.

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Der erste Schritt

Benaja wartete nicht, bis er absolut sicher war, dass er den Löwen besiegen konnte. Er tat den ersten Schritt im Glauben an den Gott, der schon David zum Sieg über Löwen verholfen hatte.

Als das Volk Israel über den Jordan schreiten wollte, um nach 40 Jahren Wüste das verheissene Land zu betreten, befahl Gott: Zuerst sollen die Priester mit der Bundeslade mitten in den Fluss stehen. Erst dann wird Gott den Fluss stoppen, damit das Volk trockenen Fusses hinüber gehen kann (Josua 3,13). Wir tendieren stark dazu, von Gott zu erwarten, dass er zuerst das Wasser stoppt bevor wir loslaufen, damit wir uns die Füsse nicht nass machen müssen und womöglich dann doch nichts passiert. Wie oft erwarten wir doch von Gott, dass er ein Wunder tut, bevor wir uns bewegen?

Gott sieht es genau umgekehrt. Er fordert den ersten Schritt von uns. Glaube bedeutet, den ersten Schritt zu gehen und darauf zu vertrauen, dass Gott zu seinen Versprechen steht. Weil wir das nicht verstehen, stagnieren wir in der Umsetzung. Wir warten, bis Gott sich bewegt – während Gott wartet, bis wir uns bewegen. Glaube bedeutet, einen kleinen Schritt zu gehen und darauf zu vertrauen, dass Gott diesen kleinen Schritt in einen riesigen Sprung verwandelt.

Der sich dem Löwen stellt
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