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Atemholen aus Gott

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Ein weiteres Jahr und Jahrzehnt liegen hinter uns. Rasante gesellschaftliche Veränderungen kennzeichnen unsere Zeit. Was die Zukunft wohl bringen wird?

Flexibilität gehört zu den wichtigsten Eigenschaften, um in unserer Zeit auf Kurs zu bleiben. Aber auch Kontinuität, um dabei den Halt nicht zu verlieren. Jeder Mensch hat eine Bestimmung zu erfüllen hier auf Erden, ein Grund, warum er existiert. Ein gutes Leben definiert sich daher nicht nur durch seine Länge, sondern vielmehr dadurch, ob es einem Sinn und Zweck dient. Doch wer bestimmt was sinnvoll ist? Wer definiert was wertvoll ist? Schon sind wir mitten im Thema "Identität".

Identität, ein Schlagwort unserer Zeit. Denn im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo z.B. dein Beruf oder deine Religion schon bei deiner Geburt quasi feststand, haben wir heute die Wahl: Wir können zwischen verschiedenen Identitäten wählen. Ja, es besteht sogar ein Zwang, dies zu tun. Wer einfach tut, was ihm vorgegeben wird, gilt als naiv.

Naiv, so habe ich mich lange selber gefühlt, weil ich an Jesus glaube. Mein Glaube wurde denn auch vielen Proben unterzogen und gehörig durchgeschüttelt. Die Frage nach meinem Wert war, ist und bleibt darin entscheidend: Hat mein Leben einen Wert und wenn ja, wie wertvoll bin ich? Wer oder was bestimmt meinen Wert? Sind es die gesellschaftlichen Konventionen? Ist es meine Leistung? Oder das was Gott sagt?

Man sits on log in snow
Photo by Alain Wong / Unsplash

"Ich bin ein guter Mensch!" Das will doch jeder gerne von sich behaupten. Doch was ist der Massstab, um den Grad von Gut-Sein zu messen? Und wer überprüft, ob dieser Massstab auch eingehalten wird? Die Relativisten unter uns sagen: "Ich bin ein guter Mensch, denn wir sind doch alle im Kern irgendwie gut. Am besten bestimmt doch jeder selber für sich, was für ihn gut und richtig ist." Die Moralisten unter uns entgegnen: "Ich bin ein guter Mensch, weil ich nicht zu den Bösen gehöre! Ich bin ein guter Mensch, weil ich viel Gutes tue! Zumindest mehr Gutes als Böses." Wer hat jetzt recht? Ich meine, beide ein bisschen und keiner so richtig.

Die Relativisten haben schon ein wenig recht, es gibt den guten Menschen. Aber die volle Wahrheit lautet: Keiner von uns gehört zu den Guten! Und die Moralisten haben auch ein wenig recht, es gibt die bösen Menschen. Die volle Wahrheit lautet aber: Wir alle sind Böse. Warum? Weil es nur einen Menschen gab, der den Standard des Gut-Seins auf einem so hohen Niveau definierte und selber erfüllte, dass wir alle zugeben müssen: wir bleiben weit hinter dem Möglichen zurück.

Wer mehr über diese Zusammenhänge erfahren will, der schaue sich den Vortrag "Entfesseltes Evangelium" von Johannes Hartl an.

Nichtstun

Dieser Johannes Hartl, Gründer und Leiter vom Gebetshaus Augsburg, schrieb Ende 2019 folgende Zeilen auf Twitter:



Echt spannend: So viel Wirkung durch „Nichtstun“? Klingt für mich nach einem grossartigen Deal! Es tönt verheissungsvoll und nach einem Lösungsweg zu einem besseren Leben. Aber wie geht das, diese "Stille Zeit"? Ich muss zugeben, obwohl sie so viel verheisst, ist diese Zeit der Stille in meinem Leben hart umkämpft.

Unsere Lebensgestaltung dreht sich heutzutage ja nicht mehr nur um die bekannte „Work – Life Balance“, sprich dem „gesunden“ Verhältnis von Arbeit und Erholung, sondern zunehmend um „Digital – Real-Life Balance“, also dem Verhältnis zwischen der Zeit, die ich an meinem Smartphone oder Computer „online“ verbringe und der Zeit, in der ich „offline“ in der realen Welt anzutreffen bin.

Ich kann heutzutage in einem Raum mit vielen Menschen sein und gleichzeitig via Smartphone mit dem anderen Ende der Welt per Videoanruf kommunizieren. Obwohl physisch in Europa, bin ich in Gedanken und mit meiner Wahrnehmung an einem ganz anderen Ort, zehntausende Kilometer entfernt. Technik machts möglich. Alles einfach und easy auf meinem Smartphone. Und ich hinterlasse digitale Spuren im weltweiten Netz und werde als Lohn mit Werbung zugeballert. Willkommen im 2020!

"Super Sache - es lebe der Fortschritt!" sagen die einen. "Das ist der Niedergang der Zivilisation" rufen die anderen. Beides hat was, finde ich. Und was denkt Gott wohl darüber?

Peaceful time in the nature
Photo by Tadeusz Lakota / Unsplash

Die Box

Es ist schon spannend. Gott hat uns Menschen so erschaffen, dass wir out-of-the-box denken können, also in der Lage sind, die Limitationen des Jetzt im Kopf zu überwinden. Denn wie schnell gewöhnen wir uns an die eigene Komfortzone, die genauso schnell auch zu einem goldenen Käfig verkommen kann. Wer out-of-the-box denken will, muss zuerst die "Box" als solche erkennen und ihre Limitation benennen können.

Die Bibel und insbesondere das Evangelium von Jesus ist meiner Ansicht nach DAS Fachbuch für out-of-the-box Denken! Warum? Weil es uns den Weg zu jemandem zeigt, der komplett ausserhalb jeglicher Boxen existiert: Gott selbst!

Doch genau dieser Gott entschied sich, Mensch zu werden und damit auch in die Box zu kommen, in die Limitation von Raum und Zeit mit einem menschlichen Körper. Jesus, der Sohn Gottes, kam mit einem Auftrag: Die limitierende Box der Selbsterlösung und Selbstgerechtigkeit zu durchbrechen, damit wir zu jeder Zeit und an jedem Ort out-of-the-box, aus unserer kleinen, limitierten Kiste herauskommen können.

Jesus kam nicht und sagte: "Ich denke und lebe total out-of-the-box und ihr nicht, ihr elenden Versager." Im Gegenteil. Er liess sich in die Karten schauen und noch viel mehr als das: Er investierte sein ganzes Leben dafür, dass wir, seine Mitmenschen, aus unserer einengenden, selbstgerechten Kiste von "Gut-Sein" ausbrechen und mit "Mister out-of-the-box" in Person, dem himmlischen Vater, direkt in Kontakt treten können.

Sitting on the edge of the world
Photo by Nicole Geri / Unsplash

In der Stille die Box verlassen

Mit Gott in Kontakt treten, wie geht das? Das einzige Mal wo wir in der Bibel darüber lesen, dass die Jünger ihren Meister Jesus baten, ihnen etwas beizubringen, war das Beten. Nicht dass sie noch nie gebetet hätten. Doch die Art und Weise, wie Jesus mit Gott sprach, war eine völlig andere Dimension. Anscheinend erkannten die Jünger, wie zentral die Gebetszeiten von Jesus für sein Leben und sein öffentliches Auftreten waren.

Jesus hatte unterwegs Halt gemacht und gebetet. Darauf bat ihn einer seiner Jünger: »Herr, lehre uns beten.« Lukas 11,1

Dietrich Bonhoeffer schrieb zum Thema Gebet:

Die Kraft des Menschen ist das Gebet. Beten ist Atemholen aus Gott; beten heißt sich Gott anvertrauen.

Genau das lesen wir von Gott, als er als Mensch zu uns kam. Er lebte in der Limitation eines Menschenlebens, entwich aber immer wieder den einengenden und vorgefertigten Meinungen seiner Mitmenschen, um out-of-the-box neuen Atem zu holen und sich seinem Gott und Vater anzuvertrauen.

Jesus aber zog sich immer wieder in die Einsamkeit zurück, um zu beten. Lukas 5,16

Hiker on a snowy slope
Photo by Luca Baggio / Unsplash

Eine neue Identität

Jesus definierte seine Identität von Gott her. Wenn Gott über ihn sagte: "Sehr gut!", dann galt das - es liess alle anderen Meinungen der Menschen über ihn verstummen, sie wurden zweitrangig bis belanglos.

Und aus dem Himmel sprach eine Stimme: »Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.« Matthäus 3,17

Out-of-the-box zu leben ist möglich! Den Schlüssel dazu hat Jesus, der Sohn des ewigen Gottes, der ausserhalb der Box - ausserhalb von Raum und Zeit - existiert. Wenn wir zulassen, dass er unseren Wert definiert, wenn wir unseren Lebenssinn und unsere Bestimmung auf Erden von ihm beziehen, werden wir zu Menschen, die wirklich frei sind vom System dieser Welt. Wir bleiben in der Welt, aber sind nicht mehr von dieser Welt gesteuert, sondern vom Himmel.

Jesus liess die Verbindung zu seinem himmlischen Vater nie abbrechen. Auch nicht, als er auf dem "Höhepunkt" seiner Laufbahn wie ein barbarischer Schwerverbrecher an einem Kreuz aus Holzbalken qualvoll starb. Er sprach sogar noch vertrauensvoll mit Gott während er am Kreuz hing und legte seinen Geist in dessen Hände im Glauben, dass sein Gott ihn vom Tod auferwecken wird. Und tatsächlich, sein Glaube wurde nicht enttäuscht!

Gott lädt uns ein zu einem Leben das im Hier und Jetzt aber gleichzeitig out-of-the-box stattfindet. Dazu braucht es regelmässige Zeiten der Stille, am Besten täglich. Das Angebot von Jesus steht, die Tür zum Himmel steht offen. Der Ball liegt bei uns. Mit dieser Thematik werden wir uns in der kommenden Predigtserie befassen: Gebet.

Wann hast du zum letzten Mal Atem geholt bei Gott?

Atemholen aus Gott
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