Muss Training immer anstrengend sein? Und warum sollte ich mir mit kalt duschen das Leben schwer machen?
Nachdem ich mir aufgrund meines kindlichen Leichtsinns eine Radiusköpfchenfraktur zugezogen hatte, musste mein Ellbogen während 6 Wochen belastungsfrei bleiben. Was macht das mit der Muskulatur? Sie verdünnisiert sich, und das schneller als es einem lieb ist. Denn Muskeln brauchen bekanntlich Belastung, um sich zu erhalten oder zu wachsen.
Belastung – auch im übertragenen Sinn - ist also grundsätzlich nichts Schlechtes. Wenn die Last, die ich trage, meiner Muskelbeschaffenheit entspricht, ist sie sogar förderlich. Sie hält mich fit, in Schwung und lässt mich stärker werden. Ein bequemes Leben ist auf die Dauer nicht nur langweilig, es ist schlicht nicht, wozu wir geschaffen sind. Der Zeitgeist mag uns einflüstern, dass wir es dann geschafft haben, wenn wir es einfach geniessen können, wenn wir es möglichst bequem haben, doch das entspricht schlicht nicht der Wahrheit.
Blinder Fleck
«Ihr wart so lethargisch», sagte kürzlich ein Freund in einem Gespräch zu mir. Dieser Satz blieb hängen. Innerlich hatte ich Widerstand dagegen. Ich war nicht einverstanden. «Total entspannt», hätte ich es benannt. Trotzdem konnte ich die Worte nicht einfach abschütteln und wollte sie ehrlich prüfen. Denn ich habe schon gelernt: Wenn sich viel Auflehnung in meinem Herzen zeigt, lohnt es sich hinzusehen, warum das so ist. Meine Wahrnehmung deckt sich nicht immer mit der Wahrheit. Aussenansicht hilft um «blinde Flecken» zu entdecken. Also prüfen und das Gute behalten.
Johannes Hartls neues Buch «Die Kraft eines fokussierten Lebens» - lange ersehnt, nun endlich erschienen – traf bei mir ins Schwarze. Im Kapitel über die «Feinde des Fokus» nennt er einen Feind beim Namen, den der Heilige Geist in meinem Leben gerade entlarvt: Die Trägheit oder auch die Faulheit. Oh, das will ich nicht hören. Dafür schäme ich mich. Und wenn ich es jetzt hier schreibe, tut es noch ein bisschen mehr weh. (Also meinem Stolz tut es weh…) Wer will schon faul sein?
Aber «gut dastehen» ist etwas, was einfach mein Ego möchte. Jesus hat kein Problem mit meiner Sünde. Er hat, schon bevor ich meine Prioritäten falsch gesetzt habe, mit seinem Leben dafür bezahlt. Ich muss niemandem etwas vorspielen, ich kann in seine Arme rennen und umkehren. Vergebung empfangen. Eine neue Kreatur werden. Meine Verfehlungen beim Namen zu nennen hat ebenfalls Kraft: Das Verborgene kommt ans Licht und verliert seine Macht.
Muskelaufbau
Okay, soweit so gut, ich habe das Problem erkannt, der Feind ist entlarvt. Wie geht es nun weiter? Jesus betont immer wieder: «Wer meine Worte hört und sie tut, den will ich mit einem klugen Menschen vergleichen.» Umkehr ist also erst die halbe Miete. Der zweite Teil beinhaltet, konkrete Schritte zu gehen. Dinge anzugehen.
Nach der Zeit der Schonung folgte bei meinem Arm eine Zeit des Muskelaufbaus, wo ich langsam die Belastung steigern konnte. Es ging darum, in kleinen Schritten zurück zur Belastungsfähigkeit wie vor dem Unfall zu kommen. Nicht von Null auf Hundert. Das empfand ich als unbequem und auch frustrierend, weil es nur langsam voranging. Erschütternd wie anstrengend schon einfache Übungen waren. Gleichzeitig ermutigend, wie weit man mit kontinuierlichen kleinen Schritten kommt. Immer eine Frage der Perspektive.
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Muskelaufbau haben wir auch im geistlichen Leben nötig. Auch da brauchen wir eine gewisse Belastung, damit wir wachsen. Das neue Buch von Johannes Hartl ist darin so herrlich praktisch. Immer wieder wird man beim Lesen durch eine praktische Übung unterbrochen, die hilft, in die Umsetzung zu kommen. Sich nicht nur schöne Theorien anzueignen, wie man idealerweise leben würde. Fragen, die schonungslos ehrliche Antworten einfordern. Da sind auch viele Tipps, wie man sich mit kleinen Schritten auf den Weg machen kann: Kalt zu duschen, ist einer davon. Das habe ich ausprobiert und für sehr effektiv befunden, wenn es darum geht, sich bewusst und freiwillig das Leben etwas unbequem zu machen.
In kleinen Schritten Raum schaffen
Es geht in all dem nicht darum mich selbst zu optimieren und mich mehr anzustrengen, ein gutes Leben zu führen. Es geht nicht darum noch mehr zu leisten. Vielmehr ist das Ziel mit konkreten Schritten Jesus Raum zu schaffen in meinem Alltag, damit seine Kraft mich prägen darf. Weniger zu tun und fokussierter das zu tun, wozu ich geschaffen bin. In meiner Bestimmung zu laufen. Proaktiv für die Dinge Raum schaffen, die wichtig sind.
Das motiviert mich neu, meine Prioritäten zu überdenken. Gute Routinen zu entwickeln, die Jesus Raum geben. Und mutig Dinge loslassen, die mich diesem Ziel nicht näherbringen. Am liebsten würde ich mein Leben von heute auf morgen komplett umstellen, aber mein Arm, der immer wieder einmal zwickt, erinnert mich: Schritt für Schritt. Langsam, dafür konstant.
Wie eine Blüte, die sich entfaltet. Es geschieht unmerklich und doch wird es sichtbar.