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Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Welche Gedanken beeinflussen dein Leben? Und wer beeinflusst deine Gedanken? Wem vertraust du deine Gedanken an? Wem lieber nicht?

Blockflötenmelodie

"Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?" So beginnt ein deutsches Volkslied über die Gedankenfreiheit. "Sie rauschen vorbei, wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger sie schießen; es bleibet dabei, die Gedanken sind frei." Immer wieder war das Lied in Zeiten politischer Unterdrückung oder Gefährdung Ausdruck für die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit. Als Robert Scholl, der Vater von Sophie Scholl anfang August 1942 wegen hitlerkritischer Äußerungen inhaftiert wurde, stellte sich Sophie abends an die Gefängnismauer und spielte ihrem dort einsitzenden Vater auf der Blockflöte die Melodie vor.

Dorf der Stille

Wie gerne würden ich manchmal Gedanken meiner Mitmenschen lesen können. Nicht zuletzt die meines behinderten Sohnes, der durch seine Hirnverletzung nicht sprechen kann. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich vor ein paar Jahren den Dokumentarfilm "Das Dorf der Stille" über das Leben und die Betreuung von taubblinden Menschen sah. Ich war tief bewegt von diesem Wohnheim des deutschen Taubblindenwerks in Fischbeck, das seinen Bewohnern ein würdiges Leben ermöglicht: Menschen, die mit drei Sinnen die Welt erleben und begreifen: Tastend, riechend, schmeckend.

Der Film gibt Einblicke in eine Welt, von der die meisten Menschen gar nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt. Es sind die Betreuer, die diesen Film tragen, die ihren Schützlingen eine Stimme verleihen. Menschen, sehr besondere, die auch nach langjähriger Arbeit in Fischbeck nicht wirklich wissen, was in einem taubblinden Menschen vor sich geht, aber die erleben, wie Förderung und Zuwendung ein Leben lebenswert machen.

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Photo by Антон Дмитриев / Unsplash

Hass und Häme

Im Gegensatz dazu schleudern wir uns in den sozialen Medien unsere Gedanken geradezu ungefragt und filterlos ins Gesicht. Jeder soll wissen, was ich denke! Ob es sich dabei um durchdachte Überzeugungen handelt, wage ich grösstenteils zu bezweifeln. Vieles klingt in meiner Wahrnehmung nach papageiartigem Nachplappern. Es herrscht eine grosse Copy-Paste Kultur vor. Da und dort staune ich dann aber doch über authentische Statements Einzelner, die sich jeglichem Sh*tstorm zum Trotz getrauen, entgegen den Mainstream-Parolen ihres sozialen Millieus Stellung zu nehmen. In den vergangenen Monaten hat mich z.B. der Schweizer Rapper Knackeboul beeindruckt, welcher sich in den sozialen Medien klar und deutlich gegen Antisemitismus aussprach und dafür von der eigenen (linken) Community mit Hass und Häme überschüttet wurde.

Die Reaktionen zum Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober fördern jegliches Gedankengut zu Tage, welches in den vergangenen Jahren in den Herzen der Menschen weltweit kultiviert und genährt wurde. Wenn der Zeitpunkt der Ernte kommt, wird sichtbar, was zuvor gesät wurde. Darum schrieb König Salomo schon vor 3000 Jahren:

Mehr als alles hüte dein Herz; denn von ihm geht das Leben aus. (Sprüche 4,23)


Photo by Cole Keister / Unsplash

Hilfe für Israel

Herzensgedanken prägen Lebensläufe. Das war schon immer so. Kürzlich befasste ich mich durch ein Lied aus dem neuen Album von Joy&Markus mit der kurzen Begegnung eines Mannes aus Jerusalem mit Jesus in Lukas 2,25-35:

Damals lebte in Jerusalem ein Mann namens Simeon; er war rechtschaffen, richtete sich nach Gottes Willen und wartete auf die Hilfe für Israel. Der Heilige Geist ruhte auf ihm, und durch den Heiligen Geist war ihm auch gezeigt worden, dass er nicht sterben werde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen habe.

Simeon trug eine Verheissung in seinem Herzen: Ich werde den Messias sehen, bevor ich das Zeitliche segne. Derselbe Heilige Geist, der ihm diese Begegnung zusicherte, sorgte auch dafür, dass Simeon sich zur rechten Zeit am rechten Ort befand:

Vom Geist geleitet, war er an jenem Tag in den Tempel gekommen. Als nun Jesu Eltern das Kind hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme, pries Gott und sagte: »Herr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt. Mit eigenen Augen habe ich das Heil gesehen, das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Nationen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel.«

Er schläft in meinen Armen

Was für ein Moment für Simeon. Die Verheissung, die er jahrelang in seinem Herzen trug, trägt er auf einmal in seinen Armen. Nicht mehr verborgen, sondern sichtbar, spürbar, bestaunbar, nah an seinem Herzen. Das schutzbedürftige Neugeborene, das einmal die Welt erlösen wird, schläft ruhig und sorglos in seinen Armen.

Er schläft hier in meinen Armen
Herr, ich preise deinen Namen

Aufrichten kommt nach dem Fall

Nach dem Lopreis Gottes segnet er die erstaunten Maria & Josef und prophezeit Worte über dem Kind, die nicht ganz leicht verdaulich sind:

»Er ist dazu bestimmt, dass viele in Israel an ihm zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden. Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird – so sehr, dass auch dir ein Schwert durch die Seele dringen wird. Aber dadurch wird bei vielen an den Tag kommen, was für Gedanken in ihren Herzen sind.«

Die einen fallen, die anderen werden aufgerichtet. Jesus wird ein Fürsprecher für die einen sein, andere werden seinem Zeichen widersprechen. Das Herz seiner Mutter wird durchbohrt werden und die Gedanken vieler Menschen werden durch ihn aus dem Verborgenen ihres Herzens ans Licht kommen.

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Photo by engin akyurt / Unsplash

Verborgene Gedanken

Jesus brachte auch bei Simeon ans Licht, welche Gedanken in seinem Herzen waren. Es waren Gedanken, die der Heilige Geist ihm schenkte, Gedanken des Friedens und der Gerechtigkeit. Simeon richtete Sein Leben auf den Willen Gottes aus und Gott beschenkte ihn mit dieser einzigartigen Begegnung, die uns bis heute überliefert ist.

Ich habe mir überlegt, welche verborgenen Gedanken Jesus in meinem Leben ans Licht bringt? Ehrlich gesagt, da gibt es so einiges, worauf ich nicht stolz bin und wofür ich mich schäme. Doch Jesus sagte einmal, er sei nicht für die Gesunden gekommen, sondern für die Kranken. Darum bin ich mir sicher, dass er auch für mich kam. An ihm kommen meine überheblichen Gedanken zu Fall. Und er ist es, der mich von Schuld und Scham reinigt, aufrichtet und einlädt, ihm zu folgen: Bei ihm zu sein, zu werden wir er und zu tun, was er tat, durch die Kraft seines Heiligen Geistes.

Er denkt an mich

Simeon durfte Jesus einen Moment lang in den Armen halten. Ich darf Jesus in meinem Herzen tragen. Ihm möchte ich meine Gedanken anvertrauen, jeden Tag neu. Weil ich weiss, dass ich auch in seinen Gedanken vorkomme. Er denkt an mich und ist besorgt um mich. Seine Gedanken befreien und beflügeln mich.

Wie kostbar ist deine Gnade, Gott! Bei dir finden Menschen Schutz im Schatten deiner Flügel. Du beschenkst sie aus deinem Überfluss. Du überschüttest sie mit Freude. Denn du bist die Quelle des Lebens und das Licht, durch das wir leben. Sei weiterhin denen gnädig, die dich lieben, und schenke denen, die ein ehrliches Herz haben, Gerechtigkeit. (Psalm 36,8-11)

Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
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