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Wir sollten über Relevanz reden (Teil 1)

Ramon Baumann Ramon Baumann

«Reduce to the Max» war der Slogan jener Smart -Kampagne, die das Stadtauto der Zukunft in der Grösse einer Sardinenbüchse pries. Was aber ist die tiefere kosmische Bedeutung der Beschränkung auf das Wesentliche, auch gerade jetzt in solch apokalyptischen Zeiten?

Mit grosser Wahrscheinlichkeit raufen sich noch heute die Homöopath*innen & -*aussen die Haare, dass ihnen obiges Motto entgangen war (dem Absatz ihrer Globuli hätte es sicher nicht geschadet, zeigt aber klar deren Wirkungslosigkeit).

Reduce to the max? Ob der Werbetexter sich beim Kreieren dieses Spruchs dessen bewusst war, dass er mit diesen Worten den gesamten Heilsplan Gottes in vier Worten zusammengefasst hatte? Wie oft man’s wiederholt, es bleibt dabei: Dass der Erschaffer des Alls, The Master of the Universe, der Herr über Leben, Raum & Zeit — kurz: GOAT — sich an Weihnachten auf einem kleinen Magmaklumpen namens Erde in einer einfachen jüdischen Frau auf Embryogrösse komprimieren liess — sprengt jegliche menschliche Vorstellungskraft. Was bleibt? Nichts, als auf sein Angesicht zu fallen und ob solcher Erhabenheit zu schaudern und in Ehrfurcht zu erstarren; das, was das Englische am trefflichsten als «awe» bezeichnet.

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Photo by Piret Ilver / Unsplash

Per definitionem

Und so machen wir einen Sprung im Kirchenkalender und landen dann im Spätfrühling jeweils — dieses Jahr sich deckend mit dem Ende des Ramadans — bei der Himmelfahrt Jesu Christi (das erwähnte Embryo ist mittlerweile 33).

Ausgerechnet Wikipedia umschreibt Relevanz mit einem interessanten Bild: «relevare», aus dem Lateinisch-Italienischen stammend bedeute «den Waagebalken, eine Sache, wieder bzw. erneut in die Höhe heben.» Der Waagebalken erinnert einen natürlich sofort an das Menetekel Belsazars, während in «die Höhe hebend» die Relevanz der Entrückung Jesu verdeutlicht: Er musste zum Vater zurück, damit die Dritte Person der Trinität 50 Tage nach Ostern die Eroberung des Erdballs beginnen konnte (davon mehr an Pfingsten).

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Photo by Piret Ilver / Unsplash

Die Relevanz im Alltag des 21. Jahrhunderts

Es ist während eines Fluges oder einer Überfahrt jeweils Usus, dass sich knacksend über den Bordlautsprecher das Cockpit bzw. die Brücke meldet. Für die Passagiere des Raumschiffs Erde tönt die Durchsage heutzutage so: «Liebe planetarische Mitreisende, hier spricht Ihr Kapitän: Willkommen im bereits fortgeschrittenen Zeitalter des Schrotts & Mülls — zu Ihrer Rechten erblicken Sie die 21 Tonnen schweren Überreste der chinesischen Trägerrakete Langer Marsch 5B, die unkontrolliert Richtung Malediven stürzen, wo ein paar — wenn Sie genau hinschauen — impfprivilegierte Schweizer*innen ihre wohlverdiente Flucht aus ihrer pandemieverseuchten Heimat in einem Premium Bungalow geniessen.»

Ob es die sich unermesslich hoch türmenden Müllberge der Megacities oder die gigantisch sich drehenden Plastikinseln in den Ozeanen sind oder der unzählige Weltraumschrott im Erdorbit ist: Das neue Menschenzeitalter, Anthropozän genannt, definiert sich unter anderem durch die Masse des Abfalls, den wir in allen Lebenslagen produzieren.

Dasselbe Horrorszenario im WorldWideWeb und in den Medien aller Couleurs, sozial oder nicht: Schrott, Schrott, Schrott. Wir produzieren also nicht nur Unmengen von Müll, sondern er prasselt auch noch ungefragt auf uns nieder… Die neue Sintflut also —ein Tsunami an Unrat, der unseren Alltag in diesen Zeiten heimsucht. Dies führt uns unweigerlich zum Antonym des zentralen Begriffs dieses Artikels: Die Irrelevanz.

Davon mehr in Teil 2, coming soon in a theater near you.

Ramon Baumann

Ramon Baumann

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