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Was glaubst du?

Josua Hunziker Josua Hunziker

Hat die Wissenschaft bewiesen, dass Gott nicht existiert? Stehen Wissen und Glaube in einem Widerspruch? Und was hat das mit einem Smartphone zu tun?

#repost: Dieser Artikel wurde am 9. August 2018 erstmals veröffentlicht.

Pauls Theorie
Stell Dir vor, Du gehst mit einem Freund - nennen wir ihn Paul - einem Flussbett entlang. Plötzlich hältst Du inne - am Wegrand hast Du einen zierlichen Turm aus sieben flachen, aufeinandergeschichteten Steinen entdeckt. "Sieh mal, Paul. Wer hat den Steinhaufen wohl dort hingestellt?" Paul mustert den Turm einen Moment lang und meint dann: "Ach, weisst du - ich habe mich nun schon einige Jahre mit dem Phänomen von Steintürmen bei Flüssen beschäftigt. Ich habe Experimente gemacht und unzählige Berechnungen durchgeführt. Und weisst du was? Ich habe herausgefunden, dass es ungefähr einmal in 137'000 Jahren vorkommen kann, dass der Fluss gleich neben uns die Steine zufällig als Steinturm ans Ufer spült. Deine Vermutung, dass jemand den Turm gebaut haben sollte ist überholt - er könnte auch ganz zufällig entstanden sein." Etwas verwundert musterst du Pauls ernste Miene. "Hm - ja okay", erwiderst du, "irgendwie kann ich mir gerade noch vorstellen, dass ein Turm aus sieben Steinen in seltenen Fällen einmal zufällig entstehen kann. Trotzdem erscheint es mir sehr viel wahrscheinlicher, dass jemand hier einfach einige Steine aufeinandergeschichtet hat..."

Ordnung durch Zufall
Paul hat dich also noch halbwegs von seiner Theorie überzeugen können. Wie wäre deine Reaktion ausgefallen, wenn ihr statt des Steinturms eine komplexe, mechanische Taschenuhr gefunden hättet? Oder wenn Paul dir erklärt hätte, Wissenschaftler aus aller Welt seien übereingekommen, dass sich dein Smartphone durch natürliche, zufällige Prozesse über Millionen von Jahren aus den Ursprüngen von kleinen Sandkörnern entwickelt hätte? Wahrscheinlich hätten dich seine Erklärungsversuche im Falle dieser wesentlich komplexeren Gebilde nicht mehr überzeugt - wir wissen aus täglicher Erfahrung, dass selbst einfache Ordnung nur äusserst selten spontan entsteht (wer mir das nicht glaubt, der lasse ein Kartenspiel fallen und prüfe, ob die Karten innert einer nützlichen Anzahl von Versuchen schön der Reihe nach am Boden ankommen...).

Spielkarten am Boden
Photo by Jack Hamilton / Unsplash

Beweise gegen Gott?
Viele Menschen glauben, die Wissenschaft hätte gezeigt, dass Gott - insbesondere Gott, der Schöpfer des Universums - nicht existiert. Und tatsächlich gibt es wohl durchdachte Theorien und Modelle, welche die theoretische mathematische Möglichkeit offen lassen, dass das Universum spontan aus dem Nichts entstanden ist und sich darin - durch eine Vielzahl von einzelnen sehr unwahrscheinlichen Zufällen - die Welt, in welcher wir heute leben, in ihrer ganzen Komplexität entwickelt hat. Auf die Details dieser Theorien möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen - es sei nur so viel gesagt, dass sie äusserst viele grundlegende Fragen offen lassen[1]. Gehen wir vielmehr für einen Moment davon aus, die Modelle seien korrekt und wahr und die theoretische Möglichkeit existiert, dass die Welt zufällig und ohne Schöpfer entstanden ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall nun tatsächlich eingetreten ist und du darum hier und heute diesen Artikel lesen kannst, ist noch einmal viel, viel, viel, viel kleiner als die Wahrscheinlichkeit, dass sich Milliarden von Sandkörnern und anderen Partikeln spontan zu deinem Smartphone vereint haben. Gott wurde auf keine Art und Weise "weg bewiesen", genauso wenig wie die Möglichkeit einer zufälligen Aufschichtung von Steinen einen Turmbauer "weg beweist".

Eine Frage der Plausibilität
Die Verfechter der sogenannt naturalistischen Weltsicht benötigen in ihrer Argumentation Zeiträume von Jahrmillionen sowie eine Vielzahl an parallel existierenden Universen, von denen wir zufälligerweise in dem Einen leben, in welchem diese äusserst unwahrscheinliche Kette von Ereignisse irgendwann dann doch einmal eingetreten ist.[2] Genauso, wie Pauls Version der Entstehung des Steinturms zwar theoretisch möglich, aber praktisch gesehen höchst unwahrscheinlich ist, erscheint mir persönlich - trotz aller Mathematik - die Schöpfung des Universums durch einen übernatürlichen Schöpfergott als sehr viel plausibler als eine lange Kette von genau zusammenpassenden Zufällen, welche unser Universum in seiner ganzen Komplexität und Ordnung haben hervorgehen lassen sollen.

Gleichungen auf einer Wandtafel
Photo by Roman Mager / Unsplash

Das richtige Werkzeug?
Betrachten wir die Fragestellung mit etwas mehr Abstand, so müssen wir feststellen, dass die Wissenschaft ganz grundlegend das falsche Werkzeug dafür ist, Fragen über Gott oder dessen Existenz zu beantworten. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Natürlichen, dem Messbaren und dem Erfassbaren - nur solche Phänomene können überhaupt mit der wissenschaftlichen Methode studiert werden. Mit dieser Methode Aussagen über einen übernatürlichen Gott zu treffen gleicht dem Versuch, mit einer Uhr das Gewicht eines Steins zu bestimmen: Das Werkzeug ist zur Beantwortung der Frage schlicht und einfach ungeeignet.

Eine ganzheitliche Weltsicht
Ich selbst habe eine naturwissenschaftliche und technische Ausbildung genossen und bin absolut fasziniert von den Errungenschaften der letzten Jahrhunderte, welche viele hingegebene Wissenschaftler und Ingenieure in harter Arbeit erreicht haben. Gleichzeitig beobachte ich aber mit Sorge, wie die Naturwissenschaft zu einer Waffe gegen den Glauben an eine göttliche Macht "verbogen" wird. Ganz persönlich bin ich nach intensiver Auseinandersetzung mit der Thematik zur Überzeugung gelangt: Der Glaube an Gott und die Wissenschaft stehen nicht etwa in einem Widerspruch - vielmehr ergänzen sie sich gegenseitig zu einer ganzheitlichen Weltsicht. Wer das Eine gegen das Andere ausspielt, verschliesst seine Augen vor einem Teil unserer menschlichen Existenz.

Abdu Murray schreibt dazu in seinem Buch Saving Truth:

Religion ist der Wissenschaft ähnlicher als Einige dies wahrhaben möchten. Während Religion zwar für gewöhnlich Regeln und Anweisungen enthält, ist sie auch eine Methode um die Welt zu verstehen, und zwar in eine viel umfassendere Methode als die Wissenschaft. Viele Religionen möchten uns nicht nur ein Verständnis der physischen Welt geben, sondern auch der nicht-physischen Welt. Und viele Religionen, wie auch das Christentum, beziehen die Wissenschaft als ein Mittel ein, den natürlichen Teil zu verstehen, während Philosophie, Theologie und andere Mittel verwendet werden, um den nicht-physischen Teil der Realität zu erforschen.

Aus dem Englischen übersetzt durch den Autor

Jeder Mensch ist ein Gläubiger
Nur wer die Existenz eines Turmbauers schon von Beginn an ausschliesst, wird beim Anblick eines Steinturms das zufällige Anschwemmen durch den Fluss als die plausibelste Erklärung für die Existenz des Turms betrachten. Und nur wer schon von Anfang an glaubt, dass Gott nicht existiert, wird die Welt um uns herum in äusserst unwahrscheinlichen Ketten von natürlichen Ereignissen zu erklären versuchen. Der Glaubens-Skeptiker ist also mindestens so gläubig unterwegs wie der Glaubende an einen Schöpfergott.

Betender
Photo by Joshua Earle / Unsplash

Um noch einmal Abdu Murray aus Saving Truth zu zitieren:

Die aktuelle Verwirrung über Wissenschaft und Glaube wird durch unsere Verwendung des Wortes Glauben noch schlimmer gemacht. Viele von uns, einschliesslich religiöser Gläubiger, definieren Glauben als einen blinden Glauben oder einen Glauben ohne Belege. Diese Definition stellt die Wissenschaft dem Glauben gegenüber, sie impliziert, dass je mehr wir durch empirische Wissenschaften lernen, desto weniger brauchen wir Glauben. Andere Religionen mögen Glauben so definieren, aber dies ist ein vollkommen unbiblisches Verständnis des Glaubens. [...]
Ich behaupte, dass der christliche Glaube und die Erkenntnisse der Wissenschaft (bzw. sogar das eigentliche Unterfangen der Wissenschaft an sich) in Harmonie zu einander stehen.

Und dann, einige Seiten und Erläuterungen später:

Also ist die Frage nicht, ob wir Glauben haben. Die Frage ist, ob derjenige, dem wir Glauben schenken, glaubwürdig ist.

Aus dem Englischen übersetzt durch den Autor

Wagst Du es?
Was glaubst du? Hat dein Glaube eine sichere, glaubwürdige Basis? Und wagst du es, deine eigenen Grundannahmen und Glaubenssätze hin und wieder auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen?

Ganz nach dem Motto dieses Blogs: "Zweifeln erlaubt. Glauben auch."


Literatur zum Thema (englisch):

Saving Truth: Finding Meaning & Clarity in a Post-Truth World von Abdu Murray

Total Truth: Liberating Christianity from Its Cultural Captivity von Nancy Pearcey

How to be an Atheist: Why Many Skeptics Aren't Skeptical Enough von Mitch Stokes


  1. z.B. was denn nun Dunkle Materie und Dunkle Energie sind, aus welchen das Universum zu 95% bestehen soll. Die Physiker, welche sich mit der Entstehung des Universums auseinandersetzen, mussten diese beiden Formen von Materie und Energie postulieren, damit die mathematischen Gleichungen, welche eine mögliche Entstehung des Universums beschreiben, überhaupt aufgehen. Dass sie "postuliert" sind bedeutet, dass sie noch nie gemessen oder beobachtet wurden und evtl. sogar grundsätzlich unbeobachtbar sind - jedoch würden ohne sie die heutigen Modelle und Theorien über die Entstehung des Universums nicht funktionieren ↩︎

  2. Die Theorie der Paralleluniversen ist zudem per Definition nicht überprüfbar und daher kein zulässiges Argument gegen die Existenz eines übernatürlichen Schöpfers ↩︎

Was glaubst du?
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