/ Psalm 51

Ein zerbrochenes Herz

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Anbetung ist keine Währung und Gott kein Online-Shop. Er lässt sich nicht in unser Leben integrieren wie eine App auf ein Smartphone. Was will Gott denn?

Dieser Artikel ist der 8. und letzte Teil einer fortlaufenden Serie mit Gedanken zum Psalm 51.

  1. Teil: Wenn Böses ans Licht kommt (Psalm 51,1-3)
  2. Teil: Sauber und rein gewaschen (Psalm 51,4-6)
  3. Teil: Wurzelbehandlung (Psalm 51,7-8)
  4. Teil: Echt und Aufrichtig (Psalm 51,8-11)
  5. Teil: Ein reines Herz (Psalm 51,12)
  6. Teil: Nah bei Gott leben (Psalm 51,13-14)
  7. Teil: Ein Hirte für Sünder (Psalm 51,15-17)
  8. Teil: Ein zerbrochenes Herz (Psalm 51,18-21)

Und jetzt?

Der 51. Psalm neigt sich dem Ende zu. Was kann jetzt noch Spannendes kommen? Liegt der Höhepunkt nicht schon hinter uns? Die Redewendung «Das Beste kommt zum Schluss» scheint unangebracht. Oder vielleicht doch nicht?

Dir liegt nichts daran, dass ich dir Tiere als Schlachtopfer darbringe – ich würde es sonst bereitwillig tun. Nein, nach Brandopfern hast du kein Verlangen. (Psalm 51,18)

Hoppla. Was geht denn hier ab? Brechen bei David jetzt alle Dämme? Will er das Gesetz von Mose ändern? Hat nicht Gott selbst seinem Volk den ganzen Opferkult befohlen und genauste Anweisungen dazu gegeben (wie z.B. in 2.Mose 27 beschrieben)? Gott gibt doch keinen Auftrag, den er gleichzeitig doof findet? Wenn dem so wäre, wie könnten wir dann überhaupt noch wissen, an was Gott sich freut?

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Photo by bruce mars / Unsplash

Jetzt mal ehrlich, David. Geht es dir vielleicht nicht gut? Bist du nicht ganz bei Trost? Oder schon nicht mehr ganz bei Sinnen? Reformation ist ja schön und gut. Wir sind eins mit dir, wenn du die Philister aus dem Land vertreibst und die Leviten neu formierst. Aber gleich solch radikale Aussagen über Gott zu machen, dass ihm unsere Opfer nichts bedeuten... Schiesst du da nicht völlig übers Ziel hinaus? An was soll sich Gott denn deiner Meinung nach freuen?

Ein Opfer, das Gott gefällt, ist tiefe Reue; ein zerbrochenes und verzweifeltes Herz wirst du, o Gott, nicht zurückweisen. In deiner Güte erweise auch der Stadt Zion Gutes, ja, festige die Mauern Jerusalems! Dann wirst du erneut Gefallen haben an den vorgeschriebenen Opfern, an Brandopfern, die vollständig in Rauch aufgehen. Dann werden auf deinem Altar wieder Stiere für dich dargebracht. (Psalm 51,19-21)

Aha. Also doch noch nicht fertig geopfert. Opfern ist anscheinend nicht gleich opfern. Das Herz spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Mauern Jerusalems sollen gefestigt werden. Und von männlichen Rindviechern ist die Rede. Aber schön der Reihe nach.

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Ein tierischer Schluss

Der letzte Satz dieses bedeutungsvollen Psalms lautet: ›Dann werden auf deinem Altar wieder Stiere für dich dargebracht.‹ Aus und Ende. Warum hört David so abrupt auf? Wusste er nicht mehr weiter? Gingen ihm die Ideen aus? Warum hört er nicht mit Lobpreis auf? So wie in Psalm 150: ›Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!‹ Wäre doch ein super Schlusssatz! Oder etwa nicht? Dieses tierische Ende erinnert mich an den Schlusssatz im Buch Jona:

›Und mir sollte nicht diese große Stadt Ninive Leid tun, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben [...] und dazu noch das viele Vieh?«‹ (Jona 4,11)

Ich habe den Eindruck, dass Jona wie auch David ihr Schreiben bewusst so abrupt beenden, um ihre Leser zum Nachdenken herauszufordern. Zum selber Weiterdenken. Aber warum will David wieder Stiere opfern? Er bezieht sich dabei auf das von Gott verordnete Gesetz Mose. Im Online-Bibellexikon steht dazu folgendes:

Die im Alten Testament beschriebenen Opfer zeigen, auf welchem Weg es möglich ist, sich Gott zu nähern. Die Opfer haben in sich keinen eigenen Wert, sondern sind alle bildlich zu verstehen, denn sie weisen auf Christus hin, der sie - als Gegenbild - alle erfüllte.

Die vielfältigen Arten und die Geschlechter der Tiere, die als Sündopfer dargebracht wurden, entsprechen dem Grad der Verantwortung einer Person (3.Mose 4), und den Möglichkeiten der Person (3.Mose 5). Deshalb musste der Priester oder die ganze Gemeinde als Sündopfer einen Stier bringen, aber für jemanden aus dem Volk reichte ein Ziegenbock oder ein Lamm aus.

Wenn also keine Stiere auf dem Altar dargebracht werden, hat das Volk oder der Priester nicht gesündigt, oder aber, sie bereuten ihre Sünden nicht. Ich vermute, David bezieht sich auf letzteres und nimmt sich dabei selbst an der Nase. Wenn der König seine Sünde bereut, bekennt, um Vergebung bittet und diesen ganzen Prozess auch noch mit einem Lied dem ganzen Volk zugänglich macht, dann setzt er damit einen verbindlichen Standard, an dem sich die Bevölkerung orientieren kann. Vorleben ist die beste Erziehung!

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Ein Opfer der Reue

David, wie auch Jona, erkannten am Tiefpunkt ihrer Lebensgeschichte, dass Gott mehr als alles andere bewegt und verehrt wird, wenn wir Menschen unser böses Treiben von Herzen bereuen und zu Ihm und seinen guten Wegen umkehren. Das ist ein Opfer, das Gott gefällt.

Ein Opfer, das Gott gefällt, ist tiefe Reue.

Die wirtschaftliche, politische, militärische und kulturelle Stabilität einer Stadt wie Jerusalem hängt massgeblich von der Bereitschaft zur Reue und Umkehr ihrer Bewohner ab. Darum macht David am Ende seines Psalms diesen Bezug, wenn er das Wohlergehen der Stadt auf die Reumütigkeit seiner Bewohner bezieht:

In deiner Güte erweise auch der Stadt Zion Gutes, ja, festige die Mauern Jerusalems!

Der ganze von Gott verordnete Opferkult macht erst dann wirklich Sinn, wenn der König und sein Volk sich ein reumütiges Herz bewahren, also ein Herz, das sich von Gott führen und korrigieren lässt.

Dann wirst du erneut Gefallen haben an den vorgeschriebenen Opfern, an Brandopfern, die vollständig in Rauch aufgehen. Dann werden auf deinem Altar wieder Stiere für dich dargebracht.


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Zurück zum Herz der Anbetung

David reformiert in diesen letzten Versen seines Psalms mal kurz das gesamte Worship-Departement! Er findet zurück zur Ursprungsidee und dem Kernanliegen der Anbetung Gottes.

Anbetung wird auch heute leider zu oft missverstanden, als eine unbeschwerte Zeit des Liedersingens, bei der ICH MICH gut fühlen und Spass haben soll. Das funktioniert natürlich nur mit Liedern aus MEINEM Lieblingsrepertoire, dem von MIR bevorzugten Musikstil, den MEINEM Geschmack angepassten Lichtverhältnissen und der MIR vertrauten Raumeinrichtung. ICH bete natürlich Gott an, logisch! ICH empfange Gottes Segen und Kraft für MICH, mein Ego und mein Spiegelbild (die glorreiche Trinität meines kleinen Imperiums, dessen alleiniger Herrscher und Imperator meine kleine Wenigkeit darstellt), damit ich gestärkt und ermutigt MEINE Wege und Ziele verfolgen kann.

Davon ist in Davids Busspsalm rein gar nichts zu finden. Im Gegenteil. David kehrt zur Ursprungsidee zurück: Anbetung als Opfer. Anbetung bedeutet: Ich opfere Gott mein ganzes Herz. Das Herz ist der Sitz unseres Denkens, Fühlens, Verstehens, Wollens und Handelns. Die Schaltzentrale unseres Lebens sozusagen. Wenn Gott ein solches Opfer gefällt, kann das nur folgendes bedeuten: Gott möchte im Leben von uns Menschen keine Nebenrolle spielen, sondern die Regie führen! Er lässt sich eben nicht in unser Leben integrieren wie eine App auf unser Smartphone.

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Das Herz verschenken

In unserer Kultur und Zeit ist das Äussere so wichtig ist wie kaum je zuvor. Wir geben Unsummen von Geld dafür aus, um auf andere einen guten Eindruck zu machen und dazuzugehören. Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, mit Geld, das uns nicht gehört um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Ein florierender Wirtschaftszweig. In dieser Industrie wird abartig viel 'Kohle' investiert und grosse Umsätze erzielt. Der parallel dazu verlaufende Anstieg an Psychopharmaka-Konsum in unserer westlichen Welt lässt Raum für Interpretation offen.

Auch bei David klingelt’s und er entdeckt aufs Neue Gottes gute Absichten hinter all seinen Geboten und Anweisungen: Gott beabsichtigt immer einen gesunden, vitalen Zustand unseres Herzens! Er lässt sich nicht von unserem äusseren Tun beeindrucken. Er interessiert sich zuallererst für unser Herz.

Was gibt es Wertvolleres, als sein Herz zu verschenken? Wenn sich zwei Liebende gegenseitig beschenken und die absurdesten Dinge tun, um einander ihre bedingungslose Liebe zu beweisen, ist das ein Ausdruck davon, dass beide dem anderen ihr Herz verschenkten. So ist es auch zwischen Gott und uns Menschen. Unsere Opfer sind "nur" ein Ausdruck davon, dass wir Gott unser ganzes Herz verschenkt haben und uns an seiner Schönheit freuen! Die Frage, WARUM wir etwas opfern, WAS wir opfern und FÜR WEN wir es opfern, deutet darauf hin, WEN oder WAS wir am allermeisten lieben und verehren.


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Schluss mit Heuchelei

Was bringt's, wenn wir eine fromme Show abziehen und unter grossem Klamauk aufsehenerregende Opfer bringen, aber gleichzeitig Dinge tun, die Gott verletzen und betrüben? Wie soll sich eine Frau geliebt und verehrt fühlen, wenn sie von ihrem Ehemann zwar ständig viele Blumen und teuren Schmuck geschenkt bekommt, aber gleichzeitig von ihm mit anderen Frauen betrogen wird? So hält auch Gott gar nichts von einer rein äusserlichen Frömmigkeit, die nicht mit dem Herzen in Verbindung steht. Im Gegenteil, Gott findet es total abstossend. Jesus nennt diese Frömmigkeit Heuchelei.

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! [...] Nach außen hin erweckt ihr bei den Menschen den Anschein, gerecht zu sein, in Wirklichkeit aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit. (Matthäus 23,27-28)

Gott lässt sich nicht als Mittel zum Zweck benutzen. Er durchschaut unsere Motive, wenn wir unser Opfern, Fasten und Beten als Münze einsetzen, um vom 'Gott-Automaten' ein Produkt unserer Wahl auszulösen. Anbetung ist keine Währung und Gott kein Online-Shop.


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Ein zerbrochenes Herz

David kommt am Ende seines Psalms auf eine ganz entscheidende Qualität zu sprechen, die Gott bei uns Menschen sucht und die im ersten Moment etwas erschreckend klingt:

Ein Opfer, das Gott gefällt, ist tiefe Reue; ein zerbrochenes und verzweifeltes Herz wirst du, o Gott, nicht zurückweisen.

Nein, Gott ist kein Sadist, der sich freut, wenn wir verzweifelt sind. Es geht hier um eine ganz spezifische Art des Zerbruchs und der Verzweiflung. Es geht darum, dass wir unser Herz von Gott bewegen lassen und von ihm lernen, am Leid und der Verzweiflung unserer Mitmenschen Anteil zu nehmen. Gottes Herz ist gebrochen, weil seine geliebte Schöpfung unter dem Bann des Bösen leidet. Es schmerzte ihn so sehr, dass er selbst Mensch wurde und auf die Erde kam und Anteil nahm am Leid der Menschen.

Wir suchen oft erst dann ernsthaft nach einer nachhaltigen Lösung für eine Not, nachdem wir selbst am Schmerz eines Notleidenden Anteil nahmen. Das ist es, was David hier erkennt. Wahres Opfern und echte Anbetung zielen auf das Erfassen und Verstehen von Gottes Herz ab. Wenn wir dabei keinen Schmerz für die Nöte unserer Mitmenschen empfinden, sondern uns nur um uns selbst und unsere eigenen Probleme drehen, dann haben wir Gottes Herz nicht erfasst.

I was with a friend next to Bercy in Paris. We shot a bit at night.
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Anteil nehmen

Das Opfer der Anbetung hat zum Ziel, dass sich unser Puls nach dem Herzschlag Gottes ausrichtet und sich unser Geist mit Gottes Gedanken füllt. Gott ähnlicher werden, darum geht's! Wie ist er denn so, unser Gott? Voller Erbarmen und Güte gegenüber allen Menschen und insbesondere gegenüber denen, die Unrecht erleiden, gefangen sind, am Rande der Gesellschaft leben müssen, in Not oder auf der Flucht sind und unterprivilegiert, krank, gefangen, obdachlos, hungrig, durstig...

Gott wurde Mensch in seinem Sohn Jesus und hat genau das getan: Er nahm Anteil an den Nöten und am Leid seiner Mitmenschen. Und er war dazu bereit, die Not dieser Welt an der Wurzel zu packen, indem er an unserer Stelle alles Leid auf sich nahm. Nur so konnte er einen Sieg erringen, der uns in alle Ewigkeit von der Macht des Bösen befreit.

Morning on the top of the mountain
Photo by Nghia Le / Unsplash

Jesus lädt uns dazu ein, den Weg zu gehen, auf dem er uns vorausging und die Werke zu tun, die er tat. Denn daran werden wir einmal gemessen, wenn wir am Ende der Zeit vor Gott stehen:

Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25, 37-40)


  1. Teil: Wenn Böses ans Licht kommt (Psalm 51,1-3)
  2. Teil: Sauber und rein gewaschen (Psalm 51,4-6)
  3. Teil: Wurzelbehandlung (Psalm 51,7-8)
  4. Teil: Echt und Aufrichtig (Psalm 51,8-11)
  5. Teil: Ein reines Herz (Psalm 51,12)
  6. Teil: Nah bei Gott leben (Psalm 51,13-14)
  7. Teil: Ein Hirte für Sünder (Psalm 51,15-17)
  8. Teil: Ein zerbrochenes Herz (Psalm 51,18-21)
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