Eine Weihnachtsgeschichte.
"Mir ist das echt nicht mehr wohl in der Reitstunde, Mama. Irma macht so viel Druck - dabei möchte ich doch einfach Zeit mit den Pferden verbringen." Mit hängenden Schultern sitzt Thea am Küchentisch. Mit ihrer Schwester Mira ist sie gerade von der Reitstunde heimgekommen und macht beim Abendessen ihrem Frust Luft. Irma, die ambitionierte Pferde-Trainerin auf ihrem Reithof, möchte aus den Mädchen erfolgreiche Dressur-Reiterinnen machen. Während Mira das Ganze als spannende Herausforderung sieht, ist Thea die ganze Überei einfach zu viel. Leo, ihren jüngeren Bruder, beschäftigt wiederum der schwelende Konflikt zwischen seiner Klassen-lehrerin und der ganzen Klasse. Frau Wagner stört sich ab der mangelnden Disziplin und versucht händeringend, mit strengen Regeln wieder Ordnung ins Getümmel zu bringen. Der Erfolg dieser Strategie ist jedoch sehr bescheiden und Leo setzt die angespannte Stimmung im Klassenzimmer sehr zu.
Gerade als Mutter Helen ihre Kinder trösten möchte, blickt Vater Herbert von seiner Zeitung auf und echauffiert sich lauthals über den Zustand der Weltpolitik. Die westliche Ordnung gerät aus den Fugen, es herrscht wieder Krieg in Europa und Migranten stellen unsere Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Er finde es gut, schnaubt Herbert, dass einer wie Trump mal hinstehe und aufräume - diesem Chaos könne man ja nur mit starker Hand begegnen. Alle verdrehen die Augen - hat Papa überhaupt zugehört? - und da fällt Mira auch noch ein, dass sie noch ihre Rolle für das Krippenspiel lernen muss, welches ihre Klasse im Rahmen des Religionsunterrichts aufführen wird. Sie spielt ein Hirtenmädchen, welches dem Jesuskind Geschenke bringt und ganz berührt ist von dem kleinen Wesen. Herbert verwirft abermals die Hände und wettert über die rührselige Geschichte - nur mit Mühe kann seine Frau ihn wieder beruhigen. Schmollend verlässt Herbert die Küche und grollt, dass solche Schnulzen ja wohl nichts bringen, wenn derweil die Welt vor die Hunde geht - er gehe jetzt lieber einen Actionfilm schauen wo die Helden noch echte Männer sind und nicht als Babies in Krippen herumzappeln. Resigniert bleibt der Rest der Familie zurück und besonders Mira kann sich nun gar nicht mehr auf das Krippenspiel freuen - da helfen auch die liebevollen Aufmunterungen ihrer Mutter und ein Stück Schokolade zum Dessert nicht mehr.
Auf dem Pferdehof wird am nächsten Dienstag Nachmittag weiter für die grosse Dressurprüfung geübt. Irma gibt im Training konzentriert den Takt an, Kinder und Pferde spuren diszipliniert. Gleich neben dem Trainingsplatz steht derweil ein älterer Mann, pflegt die Pflanzen in seinem Garten und beobachtet immer wieder das Geschehen auf dem Reitplatz. Ab und zu schüttelt er den Kopf und murmelt leise vor sich hin. Nach Abschluss des Trainings fällt Thea auf, dass in der hintersten Box ein neues Pferd untergebracht ist, das sehr nervös wirkt. "Ach, das ist Varello, der Neue" seufzt Irma nur und arbeitet weiter. Langsam und neugierig nähert sich Thea der Box. Doch Varello schreckt zurück, steigt auf die Hinterbeine und lässt Thea zusammenzucken und den Rückzug antreten. Auf Theas Nachfrage, was denn mit dem Pferd los sei, zuckt Irma nur die Schultern und blafft die Mädchen an, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern. Nachdenklich treten die Kinder den Heimweg an. Warum in aller Welt ist Varello denn so verängstigt?
In Leos Klasse geht es derweil wieder einmal hoch zu und her. Papierknäuel fliegen und Frau Wagner ist bereits an der Decke. Sie hält den Kindern eine Standpauke über Ordnung und Disziplin, bevor sie die ganze Klasse 15 Minuten nachsitzen und einen Aufsatz über das Gehörte schreiben lässt. Leo ist wütend - er hatte sich immer Mühe gegeben anständig zu sein, aber so langsam scheint sich das eh nicht mehr zu lohnen. Frustriert beugt er sich über seine Aufgabe, doch sein Kopf scheint leer. Während ein Kind nach dem anderen den fertigen Text abgibt und nach Hause geht, sitzt Leo hier, starrt auf sein Blatt und kriegt kein Wort aufs Papier. Seufzend und mit Kopfschütteln schickt Frau Wagner ihn schliesslich nach einer halben Stunde ebenfalls nach Hause. Noch im Schulhaus bricht Leo in Tränen aus. So eine Ungerechtigkeit!
Am Abend bringt Mira die Einladungen zur Aufführung des Krippenspiels mit. Herbert verzieht nur das Gesicht. "Aber du kommst schon auch, oder?" fragt Mira vorsichtig. Herbert verdreht die Augen. "Das muss ich mir jetzt echt nicht mehr antun!" platzt es aus ihm heraus. "Zuerst spricht der Pfarrer einige salbungsvolle Worte, dann kommt die ausgelutschte Geschichte von Gott in Baby-Gestalt und singenden Hirten, und am Schluss singen wir alle 'Fröhliche Weihnacht'. Ich hab das echt satt. Ein starker Gott, der hätte mich sofort, aber so'n Baby-Gedöhns? Glaubt ja keiner, dass die Bibel von Männern geschrieben wurde - so sentimental wie die Geschichte daher kommt, muss das eine Frau gewesen sein!" Jetzt ist es Helen, welche die Beherrschung verliert, wütend den Raum verlässt und ihre Familie verdattert zurücklässt. Nach zwei langen, stummen Minuten entschuldigt sich Herbert umständlich bei seinen Kindern und sagt, er hätte es ja nicht so gemeint - doch der Schaden ist angerichtet. Zur Versöhnung schlägt Herbert einen Netflix-Abend mit Popcorn vor, aber Party-Stimmung will sich nicht so richtig breit machen. Jedes der Kinder verlässt schliesslich mit einer Ausrede die Küche und Herbert wendet sich grollend seiner Zeitung zu.
Als Thea, Mira und ihre Freundin Miriam am Freitag auf dem Pferdehof ankommen, herrscht grosse Aufregung: Irma trainiert gerade mit Varello, doch es läuft gar nicht gut. Varello bockt, ist störrisch und widersetzt sich jeglichem Kommando. Irma wird zusehends gereizt. Still und ruhig beobachtet Nachbar Kübler aus dem Garten nebenan auch heute das Geschehen. Irma verliert derweil die Geduld und schreit Varello an - doch statt zu parieren steigt dieser plötzlich auf die Hinterbeine, trifft Irma mit dem Vorderhuf an der Schulter, bricht darauf hin aus und verschwindet im Wald. Irma windet sich stöhnend am Boden. Sofort alarmieren die Kinder die Ambulanz und Jakob, der Stallbursche, leistet erste Hilfe. Als Miriam und Thea schliesslich sehen, dass Irma gut versorgt ist, machen sie sich heimlich aus dem Staub und suchen Varello.
Nach längerer Suche entdecken sie das flüchtige Pferd auf einer abgelegenen Wiese hinter dem Wald. Varello ist aber nicht alleine - in einiger Entfernung entdecken die Mädchen eine Gestalt, die reglos im Gras zu sitzen scheint. Atemlos beobachten die Mädchen, wie Varello den Sitzenden zuerst gar nicht beachtet, sich dann aber vorsichtig und argwöhnisch nähert. Schritt für Schritt und immer auf der Hut umkreist das Pferd den Sitzenden, in welchem Miriam nun auch Nachbar Kübler erkannt hat. Nach und nach beruhigt sich das Pferd, während Kübler sich immer noch nicht bewegt und still da sitzt. Endlich, nach einer schier endlosen Zeit, streckt Herr Kübler langsam seine Hand aus und berührt Varellos Nüstern. Das Pferd lässt es geschehen. Es hat Vertrauen gefasst. Staunend beobachten die Mädchen, wie Kübler das Pferd schliesslich ruhig anhalftern und in Richtung Reithof zurück führen kann.
Beim Abendessen ist Thea tief in Gedanken versunken. Herbert hält gerade mal wieder einen Monolog über die Politik und dass es nun einen starke Macher brauche, welche alle Idioten da draussen in Schach halten und zeigen wo's lang geht. Helen verdreht die Augen und lenkt ab mit der Frage, wo Leo denn eigentlich bleibt. Da kommt dieser auch schon durch die Tür und klagt über die Ungerechtigkeit von Frau Wagner, die heute doch tatsächlich ihre Drohung wahr gemacht und jeden, der auch nur einen Mucks von sich gegeben hat, ohne Vorwarnung vor die Tür gestellt hat. "Wie kann die denn nur erwarten, dass wir ihr einfach so gehorchen? Die hat durch ihr ständiges Androhen von Strafen doch schon längst die ganze Klasse verloren! Der vertraut niemand mehr…"
In dem Moment springt Thea auf: "Aaaah, das ist es!" Die ganze Familie starrt Thea entgeistert an. "Mira, dein Krippenspiel! Papa muss vielleicht doch kommen!" Noch verständnislosere Blicke. “Ja, der Jesus, der macht's eben wie der Kübler, nicht wie die Wagner!” Und dann sprudelt die ganze Geschichte aus Thea heraus. Dass der Kübler sich ganz klein machen musste, um das Vertrauen von Varello zu gewinnen. Und nur dadurch auch Varellos Gehorsam erlangt hat. Und dass Jesus das an Weihnachten ja irgendwie ganz ähnlich gemacht habe. “Schön und gut, Thea, aber wenn Jesus wirklich Gott ist, muss er das doch alles gar nicht!", wendet Herbert ein. "Der könnte uns einfach zeigen wo der Bartli den Most holt!" "Aber wenn er es eben will?”, entgegnet Thea "Wenn ihm unser Vertrauen wichtiger ist als dass wir ihm widerwillig gehorchen? Könnte doch sein, oder?" — “Haaa, Papi, ich seh' schon”, frohlockt Mira, "vielleicht wirst du ja die salbungsvollen Worte des Pfarrers doch noch über dich ergehen lassen!" "Naa... mal gucken" lenkt Herbert zögernd ein und kaut auf seiner Unterlippe, "Aber ja, vielleicht ist diese Weihnachts-geschichte doch nicht einfach nur so elend süss und kitschig, wie ich immer gedacht habe..."