/ Weihnachten

Belebte Sucher

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Was hat ein junger Geigenbauer gemeinsam mit den Weisen aus dem Morgenland, die den neugeborenen König der Juden suchten, um ihn anzubeten?

Der 1965 geborene Geigenbauer und Bestseller Buchautor Martin Schleske, berichtet in seinem Buch «Der Klang» von der anstrengenden und gefährlichen Suche nach Klangholz in den Garmischer Alpen, im Süden Deutschlands.

Klangholz

Warum muss man Klangholz suchen? Warum kann man nicht einfach in den Wald gehen und die nächstbeste Tanne fällen und daraus Geigen und Gitarren bauen?

Nun, Holz ist nicht gleich Holz. Jede Holzart hat ihre Eigenschaften. Seit jeher ist Holz DER Baustoff für Musik-Instrumente aller Art. Und es ist so, dass nicht jeder Baum einer Baumart für den Bau eines Instruments geeignet ist. Du kannst zwar schon eine Gitarre oder Geige aus einem beliebigen Stück Fichtenholz bauen und sie schön lackieren und mit Saiten beziehen. Aber spätestens, wenn du das Instrument anfängst zu spielen wirst du merken, ob der Instrumentenbauer erlesenes KLANGHOLZ verwendet hat oder eine billige Sperrholzplatte aus dem Baumarkt.

Mühsame Suche

Es war also an einem kalten, bewölkten Wintertag, kurz nach Abschluss seiner Lehrzeit zum Geigenbauer, als der junge Martin Schleske mit einem befreundeten Geigenbauer aufbrach, um in den Garmischer Alpen am Rande der Baumgrenze auf über 2000müM nach Klangholz zu suchen.

Ein Sturm hatte einen ganzen Hang voller Fichten umgeworfen. Es waren edle, alte Bäume von bis zu 70cm Durchmesser und einer Länge von 30-40m. Zudem waren sie eng aneinandergewachsen, wodurch ihre Stämme schon früh ihre Äste abwarfen, was astfreies Holz bedeutet. Zudem waren die Jahrringe sehr fein und regelmässig, hervorgerufen durch den nährstoffarmen Boden, die garstigen Wetterbedingungen und kurzen Vegetationszeiten. Ideales Klangholz!

Die beiden nahmen den beschwerlichen Weg durch den Schnee auf sich und mussten sich die letzte Strecke durch den Tiefschnee bahnen, bis sie beim steilen Hang ankamen, wo die edlen Stämme kreuz und quer übereinander lagen, vom Sturm wie Zahnstocher oder Mikado Stäbe aufgewirbelt.

In dem Moment, als sich die beiden ganz erschöpft vom anstrengenden Aufstieg durch die gefallenen Baumstämme kämpften, riss der Wind auf einmal die dichte Wolkendecke auf und helles Sonnenlicht beleuchtete den Hang und die herumliegenden Fichten. Sie schauten sich gegenseitig an und beglückwünschten sich mit gegenseitigem Schulterboxen. Sie hatten hier einen Schatz gefunden, eine Goldgrube für Geigenbauer!

Sogleich machten sie sich auf ins Tal um möglichst noch vor dem Eindunkeln mit dem Revierförster zu sprechen. Dieser konnte es kaum glauben, dass die beiden mitten im tiefsten Winter bis zum Windschlag hochgeklettert waren. Sie erhielten die Erlaubnis, von den Holzstämmen Stücke abzutrennen und mit ihrem Namen zu kennzeichnen. Denn auch andere Geigenbauer hatten vom Windschlag erfahren und würden im Frühling herkommen, um sich die besten Stücke zu sichern. Sie mussten also die Ersten sein.

Mit Motorsägen und «Zappis» (Holzstiel mit Haken um Baumstämme zu drehen) machten sie sich am nächsten Tag auf, um nochmals hochzugehen und von den besten Stämmen Stücke abzusägen. Das war eine sehr gefährliche Arbeit und Martin Schleske beschreibt es rückblickend als ein sehr leichtsinniges Unterfangen, da Sturmholz oft unter massiven Spannungen übereinanderliegt und man beim Durchtrennen eines Stammes durch die entladene Spannung im Bruchteil einer Sekunde durch die Luft geschleudert werden kann, weil der Holzstamm einem wegkatapultiert.

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Ein Sänger

Gott sei Dank lief alles glimpflich ab. Sie liessen die abgetrennten Stücke 200m nach unten auf den Rückpfad rollen und schon beim herunterkullern der Hockstücke konnten sie Unterschiede im Klangverhalten erkennen. Martin Schleske schreibt:

Einer der drei Stämme – wir hatten vielleicht acht oder zehn je knapp zwei Meter lange Stammabschnitte ein und derselben Fichte zurechtgesägt – klang bei jedem Aufprall wie ein Glockenschlag. Es war ein Schall, der nicht mehr ausschwingen wollte, klar und frei und hell im Ton. Die Abschnitte der beiden anderen Stämme gaben beim Aufprall nur einen dumpfen, hölzernen Ton ab. Nicht so dieser eine Stamm – er war ein Sänger!

Was ist ein Sänger?

Nur einer von 1000 Baumstämmen eignet sich für den Instrumentenbau. Das ist dann der sogenannte Sängerstamm: Ein speziell ausgewähltes Holz, meist Fichte, das langsam auf kargem Boden in rauem Klima wächst und für den Bau von Streichinstrumenten wie Geigen verwendet wird. Die engen Jahresringe dieses Holzes ermöglichen eine herausragende Klangqualität, da der Baum durch die Krisenzeiten ein dichtes und schwingungsfreudiges Holz entwickelt hat.

Schleske schreibt dann weiter:

Ein grossartiges Klangholz findet sich nicht nebenbei. Unsere Suche ist mir damals zu einem Gleichnis für eine viel umfassendere Suche geworden. Wenn schon ein guter Geigenklang diese Mühen und Wege verlangt, wie könnte dann der Klang unseres Lebens weniger verlangen? Es ist der Weg der wahren Pilgerschaft.

In einem Psalmwort heisst es: »Denen, die Gott suchen, wird das Herz aufleben« (69,33). Es ist bemerkenswert, dass dieses Wort nicht vom Finden, sondern vom Suchen spricht! Hat nicht Gott uns darum ein Herz gegeben, damit wir ihn suchen? Und wird nicht gerade diese Suche die Dinge unseres Lebens von Grund auf verändern?

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Advent

Der Begriff Advent bedeutete im Römischen Reich Ankunft, insbesondere die Ankunft von Königen oder Kaisern. Es konnte aber auch die Ankunft der Gottheit im Tempel ausdrücken. Dieses Wort übernahmen die Christen, um ihre Beziehung zu Jesus Christus zum Ausdruck zu bringen.

Den neugeborenen König suchen

Wir lesen im Matthäusevangelium folgendes:

Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Matthäus 2,1-2

Warum machen sich diese Gelehrten aus dem Osten auf, um den neuen König der Juden zu finden und anzubeten? Warum nahmen sie eine mühsame und auch gefährliche Reise auf sich, in ein Land das sie nicht kennen, um einen König zu finden, der nicht ihr eigener König ist und ihn dann auch noch anzubeten?

Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er liess zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa... Matthäus 2, 3-5

  • Wie kommt es, dass die Stadt Davids erschrickt, wenn suchende Menschen aus anderen Völkern nach einem neugeborenen König fragen? Das Herodes erschrickt, ist klar, da er kein Nachkomme Davids ist und weiss, dass ihm der Thron eigentlich nicht zusteht.

  • Wie kommt es, dass fremde Menschen Strapazen und Mühen auf sich nehmen, um Jesus anzubeten, aber die Bewohner der Davids Stadt nichts weiter tun, als die Schriften zu erforschen und Auskunft zu geben, dass der Messias in Bethlehem geboren werden soll.

  • Wie kommt es, dass der Glaube an die Geburt von Jesus bei den fremden Sterndeutern grösser ist, als bei den Priestern und Schriftgelehrten des Volkes?

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Photo by Inbal Malca / Unsplash

Glaube zeigt sich im Suchen

Martin Schleske schreibt dazu:

Was wir glauben, zeigt sich nicht an weltanschaulichen Lehrsätzen, sondern daran, womit wir unsere Zeit verbringen und wofür wir unsere Kraft verbrauchen! Zeige mir, was du tust, dann sage ich dir, was du glaubst. Wenn uns die Suche nach Sinn nichts kostet, dann haben wir uns auch nicht auf den Weg gemacht. Wenn die Glut der Sehnsucht in uns erkaltet ist, dann bleibt das, was einmal Glaube war, als die kalte Asche einer religiösen Lehrmeinung in uns zurück.

Was wir glauben, zeigt sich nicht in dem, was unser Mund bekennt, sondern in dem, was wir von Herzen suchen.

Auch Advent und Weihnachten können zur kalten Asche einer Lehrmeinung verkommen. Der Kopf ist voll Wissen, das wir mündlich von uns geben können, aber unser Herz ist erkaltet und wir machen uns nicht mehr auf die Suche, nach Gott, nach seiner Gegenwart, nach seinem Reden und Wirken.

»Denen, die Gott suchen, wird das Herz aufleben« Psalm 69,33

Martin Schleske schreibt über die Suche nach Klangholz:

Ohne Leidenschaft hätten wir damals wohl bereits im fetten Flachland gesagt: »Lass uns doch diesen Baum hier nehmen. Er wird zwar nicht wirklich klingen, aber er steht nun mal am Wegesrand. Sein einziger Wert besteht darin, dass er keine Mühe macht.«

Wenn ich Gott finden will, muss ich manch eine Mühe auf mich nehmen. Ich darf die liebende Suche nicht durch ein religiöses Bekenntnis ersetzen. Was ist ein Bekenntnis wert, wenn dem Menschen die suchende Liebe verloren ging?

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Photo by Pascal Debrunner / Unsplash

Wie kann ich Gott finden?

In der empirischen Physik gibt es eine Grundregel. Sie lautet: Der Erkenntnisgegenstand bestimmt die Erkenntnismethode. Die Temperaturmessung erfordert ein Thermometer, keine Stoppuhr. Was aber fordert Gott, um erkannt zu werden?

Beim Propheten Jeremia findet sich ein Hinweis. Dort heisst es:

»Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Ewige«. Jeremia 29,13f

Alles Suchen, Fragen, Forschen und Beten ist gelebte Empfänglichkeit. Es ist der Aufbruch des inneren Menschen. Habe ich denn ein Recht, zu hoffen, Erfüllung, Berufung und Sinn könne man so eben nebenbei finden, ohne etwas dafür zu tun?

Nein, eine Berufung muss und darf uns unruhig machen! Davon spricht auch der Prophet Zefanja, bei dem es heisst:

»Ich will Jerusalem mit der Lampe durchsuchen und aufschrecken die Leute, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen«. Zefanja 1,12

Im Lukasevangelium stehen nicht nur die Seligpreisungen Jesu, sondern auch dessen Wehrufe:

»Weh euch, ihr Reichen! Denn ihr habt euren Trost schon gehabt. Weh euch, ihr Vollgefüllten, denn ihr werdet hungern!« Lukas 6,24f

Sie haben ihren Trost schon gehabt, das bedeutet: Sie haben am falschen Ort gesucht!

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Geistig arm werden

Jesus sagte in der Bergpredigt:

»Glückselig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Himmelreich« Matthäus 5,3

Schleskes Gedanken dazu:

Die Armen, die Jesus seligpreist, haben ein Bewusstsein für einen Mangel, den nur Gott ausfüllen kann. Arm werden heisst, nicht alles zu wollen! Es heisst, an manchen Dingen bewusst vorbeizugehen. In dieser Armut ist die Kraft, Dinge zu verwerfen, weil aus ihnen kein Klang werden kann. Doch eben diese Art des Armwerdens heisst auch, empfänglich zu sein. So entsteht die Kraft, auf etwas hinzuleben, was noch nicht sichtbar ist. Eine altbekannte Geschichte macht diese Kraft, die man gemeinhin Hoffnung nennt, deutlich:

Auf einer Baustelle arbeiteten drei Männer. Jeder hatte einen Spaten, mit dem er in der Erde grub. Der Erste wirkte lustlos und müde. Jemand fragte ihn: »Was tust du da?« Er antwortete: »Ich grabe ein Loch.« Der Zweite wirkte fröhlicher. Auch ihn fragte man: »Was tust du da?« Er antwortete: »Wir legen das Fundament für eine grosse Mauer.« Auch der Dritte grub in die Erde. Er war unermüdlich in seiner Arbeit und trotz seiner Erschöpfung voll Freude und Geisteskraft. Auf die Frage: »Was tust du da?« antwortete er: »Wir bauen eine Kathedrale!«

Martin Schleske vergleicht seine Suche nach Tonholz mit diesen Männern:

In der Art des ersten Mannes hätten wir geantwortet: »Wir ersteigen einen Berg«, und als es zunehmend kälter, schmutzig und unwegsam wurde, hätten wir das Ganze wohl abgebrochen. In der Art des zweiten Mannes hätten wir gesagt: »Wir suchen nach Holz.« In der Art des dritten Mannes sagten wir: «Wir bauen Geigen!»

Was haben wohl die Weisen aus dem Morgenland geantwortet? «Wir reisen nach Westen!», oder «Wir wollen eine neue Religion kennenlernen!»? Was sagten sie?

«Wir wollen den neugeborenen König der Juden anbeten.» Matthäus 2,2

Was sagst du, wenn du gefragt wirst, warum du in die Kirche gehst, warum du betest oder die Bibel liest, den Zehnten spendest? «Ich erfülle meine religiöse Pflicht!» oder «Ich nehme mein Christsein ernst!»? Wie wäre es mit so etwas wie «Ich bin total fasziniert von Jesus!» oder «Das ist meine Art, Gott anzubeten!», oder «Ich lebe aus Dankbarkeit, weil Jesus mich erlöst hat!»?

Was wir glauben, zeigt sich nicht in dem, was unser Mund bekennt, sondern in dem, was wir von Herzen suchen.

»Denen, die Gott suchen, wird das Herz aufleben« Psalm 69,33

Emanuel Hunziker

Emanuel Hunziker

Verheiratet mit Joanna, Vater von drei Kindern, Leidenschaftlicher Musiker, Lead-Pastor der Kaleo Kirche.

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