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Über Geld spricht man (nicht)

Lukas Lukas

Das Thema Geld ist mit über 2000 Versen eines der häufigsten Themen des Neuen Testaments. Und in 16 der insgesamt 38 Gleichnissen Jesu geht es um Finanzen. Warum sprechen wir so wenig darüber? Und warum ist es für Jesus so wichtig?

Besonders in der Schweiz ist Geld kein beliebtes Gesprächsthema, zumindest wenn es den eigenen Lohn und das eigene Vermögen angeht. Da nimmt die Bibel, insbesondere das Neue Testament, vergleichsweise kein Blatt vor den Mund. Jesus spricht davon, dass der Mensch nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen kann – er bezeichnet damit Geld als Götze.

In seinem Buch «Es ist nicht alles Gott was glänzt» zeigt der Pastor Tim Keller, dass Götzendienst – entgegen der heutigen Annahme – keine alleinige Sache des Altertums ist, sondern seine Kontinuität bis in die Gegenwart findet. Moderne Götzen haben lediglich ihre Gestalt geändert. Waren es in antiken Zeiten noch Statuen aus Holz, Metall oder Stein gewesen, sind es heute Ideen, denen Menschen ihre ganze Hingabe schenken: Die einzigartige Karriere, das einflussreiche Amt, die Liebe des Lebens, die perfekte Familie, etc. Die Bibel nennt sie Götzen, weil sie nicht halten, was sie dem Menschen für dessen Opferbereitschaft versprechen: Dem Leben wahre Bedeutung zu verleihen.

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Götze der Götzen

Einer, der im Buch beschrieben Götzen, scheint der westlichen Welt seit dem 20. Jahrhundert besonders anzuhaften. Keller hat dazu persönliche Beobachtungen angestellt. In seinem Dienst als Pastor habe er über 1000 Beratungsgespräche mit Männern über ihre Probleme und Sünden geführt. In diesen Gesprächen sei es um alles Mögliche gegangen: Stolz, übertriebener Ehrgeiz, Perfektionismus, Untreue, Sucht, sexuelle Unmoral, Zorn, etc. Doch auf eine Sache sei er noch nie von einem Mann angesprochen worden: Habgier.

Keller findet das rare Bekenntnis zu dieser Sünde auffällig, wird vor Habgier in der Bibel doch viel häufiger gewarnt als etwa vor sexueller Unmoral oder Stolz. Das bedeutet, dass die Menschen heute entweder kein Problem mehr mit der Sünde Habgier haben oder dass die Sünde so sehr in der westlichen Kultur verankert ist, dass sie gar nicht erkannt wird.

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Photo by fikry anshor / Unsplash

Eine Sünde wiederum, die nicht als solche erkannt wird, habe am meisten Macht über einen Menschen und hienge stark mit seinen tiefsten Glaubensüberzeugungen zusammen. So kommt Keller zum Schluss, dass Habgier vermutlich die einflussreichste Sünde der westlichen Welt des 20. und 21. Jahrhunderts sei – basierend auf der Vorstellung, dass Besitz dem Menschen Bedeutung und Sicherheit verleihe. Geld ist der Lieblingsgötze der modernen Welt.

Wie macht sich das im Alltag bemerkbar? Wenn es darum geht, Habgier als Sünde zu bekennen, wird der Begriff relativiert: «Naja, habgierig würde ich mich nicht nennen. Ich spende monatlich und den Zehnten gebe ich auch. Ich könnte schon mehr geben, aber im Vergleich zu anderen gebe ich schon recht viel. Zudem musst du ja immer schauen, dass das Geld nicht missbraucht wird von anderen.» Der Vergleich ist ein weiteres typisches Merkmal: Wenn jemand mehr hat, wird mit Neid zum Menschen hochgeschaut. Wenn jemand weniger hat, wird mit einem warmen Gefühl der Genugtuung auf ihn heruntergeschaut: «Zum Glück muss ich nicht wie dieser Mensch leben.» In beiden Fällen darf es an Erklärungen nicht fehlen, warum die Unterschiede bestehen. So wird in einem Fall der Wohlstand mit glücklichen Zufällen oder übertriebenem Ehrgeiz erklärt, im anderen Fall mit Pech oder fehlendem Ehrgeiz. Nicht zuletzt bestimmt das Geldverdienen und die Sorge darüber unsere Arbeitskultur und damit die Struktur des westlichen Alltags.

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Eine unangenehme Botschaft

In diesem Zusammenhang ist die Botschaft Jesu zu Finanzen radikaler denn je. Ein Land wie die Schweiz, in dem 36% aller Haushalte Wohneigentum besitzen, muss die Vielzahl von radikalen Aussagen von Jesus und seinen Anhängern zu diesem Thema hart treffen:

«Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.» Matthäus 8,20

«Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!» Lukas 18,22

«Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.» Apostelgeschichte 2,44-45

Man kann verschieden auf solche Sätze reagieren. Zum Beispiel es ihnen nachmachen wollen und alles verkaufen, um auf der Strasse zu leben. In einer industrialisierten Gesellschaft ohne offene Gastkultur ist das gar nicht so einfach. Oder man kann die Sätze vorschnell in einen altertümlichen Kontext setzen, um ihre Sprengkraft abzuschwächen und selbst keinen Meter aus der eigenen Komfortzone gehen zu müssen. So oder so lässt es uns keine Ruhe, da die Botschaft so praktisch echt ist.

Eine banale Einladung

Warum lässt Jesus uns nicht in Ruhe mit diesem Thema? Warum lohnt es sich, sich mit dem eigenen Verhältnis zu Geld auseinanderzusetzen?
Die grundlegende Botschaft der Bibel ist, dass Gott sich uns verschenkt hat. An Weihnachten feiern wir das, wenn wir uns gegenseitig Geschenke machen: Gott ist Mensch geworden, um uns nah zu sein und uns seine Liebe zu beweisen. Er hat uns vergeben und damit seine Gnade und Güte geschenkt. Unsere verdiente Strafe hat er auf sich genommen, seinen verdienten Lohn haben wir erhalten.

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Photo by freestocks / Unsplash

Wenn also uns in diesem Mass gegeben wurde, können wir nur auf eine Art und Weise antworten: Wir geben ebenfalls grosszügig. Und gerade mit Geld lässt sich das praktisch einüben, nicht nur theoretisch denken. Wie ich also zum Geben stehe, bringt mich nicht in den Himmel, aber zeigt, dass ich zum Himmel gehöre, ihn im Herzen verstanden habe. Nicht umsonst wird im Endgericht anhand scheinbar banalen Handlungen beurteilt:

Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. [...] Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? [...] Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Matthäus 25, 34-35, 37, 40

Geben ist also die Kerneigenschaft des Königreichs Gottes. Sich verschenken ist das Zentrum der Liebe. Beides geht weiter über Geld und Finanzen hinaus, doch beides steht in Gefahr, allzu theoretisch verstanden zu werden. Jesus möchte nicht unsere theologische Haltung zum Geld, sondern eine Handlung! Indem Jesus zu uns über Geld spricht, lädt er uns ein, ganz praktisch im Alltag das Geben zu erlernen.

Über Geld spricht man (nicht)
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