Ankommen - Loslassen - Auftanken. Ein toller Werbeslogan für ein Kur- und Seminarhotel. Und eine gute Strategie um Gott zu begegnen.
Am Freitagmorgen machte ich mich auf den Weg nach Oberägeri, im Herzen der Schweiz, um ein paar Tage eine Auszeit zu nehmen. Rückzug vom Alltag, vom Trott, von gewohnten Mustern und der gewohnten Umgebung. Eine Zeit, die reserviert ist für Jesus. Nur er und ich.
Ankommen
Für den Weg nach Ägeri nehme ich mir Zeit. Kurzer Halt in Zürich, Zeit für einen leckeren Cappuccino. Nicht den erstbesten, ich schaue mich um nach einem ansprechenden Coffeeshop: Minimalistisch, aber stylisch eingerichtet. Dass ein paar Leute anstehen, deute ich positiv. Die Atmosphäre ist entspannt, die Musik angenehm ruhig und ich vergesse grad kurz, dass ich wieder auf den Zug muss.
Dann weiter nach Zug. Dort steig ich aus und deponiere mein Gepäck. Schlendere am See entlang. Die nebelverhangene Stimmung lässt mich innehalten. Ich bleibe stehen und beobachte die Möwen, die sich um mich scharen. Das erinnert mich an eine Geschichte, in der eine Frau jeden Tag auf der gleichen Parkbank sass und jeder Taube einen Namen gab. Sie kannte alle und wusste immer, ob heute eine fehlte. Wie viel mehr kennt Gott jeden einzelnen Menschen beim Namen. Er kennt mich beim Namen.
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In der kleinen Altstadt bewundere ich die schönen Häuser, die vielen Kleinkunstbetriebe, das Ambiente. Ich versuche den Moment wahrzunehmen und zu entschleunigen. Bevor ich weiterreise, geniesse ich noch in aller Ruhe ein Mittagessen. Es besteht kein Grund zur Eile, ich hab Zeit.
Dann geht's per Bus weiter nach Ägeri bis zum Hotel. Einchecken, Nickerchen und los geht's. Oder auch nicht. Jetzt bin ich hier, um Gott zu begegnen. Doch wie mach ich das jetzt? Ich realisiere, wie ich rastlos bin: Will was essen, meiner Familie schreiben, ob alles gut ist, Insta durchscrollen oder durchs Fenster beobachten, was die anderen Leute so machen. Alles Symptome des Hungers meiner Seele nach Gott. Eigentlich will ich bei ihm sein, doch ich versuche meinen Hunger zu betäuben. Wegzudrücken. Ich lese das Willkommenskärtchen des Hotels:
ANKOMMEN, LOSLASSEN, AUFTANKEN
Ja, genau. Ich bin definitiv noch beim ersten Schritt. Es gilt anzukommen und das braucht Zeit. Geht nicht per Knopfdruck.
Loslassen
Um ganz anzukommen, muss ich mich dem stellen, was mich ablenkt und beschäftigt und dann bewusst loslassen. Es Gott überlassen. Also schalte ich mein Handy aus und beuge ich meine Knie. Ich gebe meine Familie in Gottes Hand, danke ihm, dass er sich um alles kümmert. Weil er sich kümmert, kann ich die Kontrolle abgeben. Das fällt mir schwer. Und es nervt mich, dass es mir schwerfällt. Meine Familie hat kein Problem damit, dass ich diese Tage weg bin. Sie ermöglichen es mir gerne und freuen sich auf das, was an solchen Tagen anders läuft. Aber ich hab meine Kämpfe.
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Ich entscheide mich, Lügen loszulassen: Es ist nicht lieblos, wenn ich mich zurückziehe, um aufzutanken und um nachher wieder da zu sein. Und ich bin auch mit meiner Familie verbunden, wenn ich mein Handy ausschalte. Etwas, das ich mir bewusst sagen muss, so geprägt bin ich von der Tatsache, dass man dank Handy überall erreichbar ist.
Ich lege alles vor Jesus hin und öffne mich bewusst für sein Reden und Wirken. Dann geh ich raus, denn Bewegung hilft mir mit Gott ins Gespräch zu kommen. Meine Gedanken sind nun auf Jesus fokussiert, als ich hinterm Haus durch den Wald auf den Hügel steige. Im Geist empfinde ich die Frage: "Was willst du, dass ich dir tue?" Die Frage überfordert mich kurz. Was erhoffe und wünsche ich mir wirklich von dieser Zeit? Nachdem ich nachgedacht habe und mich entschied der Frage nicht auszuweichen, weiss ich: Ich wünsche mir eine Begegnung mit Jesus, die mich berührt, verändert und mir den Weg weist, den ich einschlagen soll. "Und was kann ich für dich tun?", frage ich zurück. "Mir vertrauen und im Jetzt präsent sein." Das will ich tun.
Auftanken
Der Shabbat fängt in der jüdischen Kultur am Freitagabend an. Er beginnt also mit den Grundbedürfnissen unseres Körpers. Das nehme ich mir zu Herzen und überlege, ob ich noch ins Thermalbad gehen soll. Innerlich bin ich mit dem Gedanken herausgefordert, weil ich alleine da bin, doch ich spüre, wie der Heilige Geist mich sanft ermutigt, es zu wagen: "Ich möchte dir und deinem Körper wohltun", sind die Worte ich wahrnehme.
Nach einer langen, erquickenden Nacht und einem ausgiebigen Frühstück, mache ich mich auf den Weg. Leichtes Gepäck, gute Schuhe, Handy mit all seinen praktischen Apps (Landkarte, Busticket, Kamera...) und warme Kleider sind meine Ausrüstung. Mein Ziel: Während einer Wanderung um den See im Austausch mit Jesus zu sein. Was folgt ist ein intensiver Tag, eine innere Reise und ein äusserlicher Weg, der anders verläuft, als ich es mir vorgestellt hatte. Innerlich werde ich mit mir selbst konfrontiert, darf ich mich Ängsten stellen und sie loslassen. Ich erfahre heilsame Erkenntnisse, darf Ballast abwerfen und inspiriert und ermutigt in die Zukunft blicken. Äusserlich fordert der Weg ein paar Extrameilen von mir und ich lasse mich auch mal in die Sackgasse führen. Aber es fühlt sich nicht wie eine normale Wanderung an. Es ist ein Zusammenspiel von Innen und Aussen, ein Austausch zwischen meinem menschlichen Wesen und dem heiligen Wesen Gottes. Immer wieder werde ich überrascht und obwohl ich am Abend richtig müde bin, bin ich überwältigt, von der Fülle, die so ein ganzer Tag mit Jesus ohne Austausch mit anderen Menschen, mit sich bringt. Diese Erfahrung ist ein kostbarer Schatz, den ich nun in meinem Herzen trage.
Als ich am nächsten Tag wieder nach Hause fahre, überlege ich mir, wie es wohl wäre, wenn ich zu Hause mal einen Tag so bewusst mit Jesus verbringen würde. Mitten im Alltag.