Berg oder Tal? Was ziehst du vor? Weitblick oder umgeben von Bergketten? Mühsamer Aufstieg oder gemütliche Wege entlang des Flusses? Eines ist sicher: Das eine geht nicht ohne das andere.
Als wir unseren Sohn am Ende der Sommerferien fragten, was ihm denn am besten gefallen habe, nannte er prompt die Wanderung, auf der er die grösste Krise hatte. Während des Aufstiegs kam er an seine Grenzen und wollte nicht weiter. Doch an Ort und Stelle sitzen zu bleiben, war keine Option und um umzukehren, waren wir schon zu weit gekommen. Wie viel grösser war der Sieg, der Erfolg, als wir an diesem Tag beim Gipfelkreuz ankamen und den Ausblick genossen. Ohne die Krise, ohne den Frust, wäre es einfach ein schöner Ausflug gewesen, doch so wurde sein Tiefpunkt zum Durchbruch.
Ich bringe dieses Beispiel, weil es mich berührt hat. Es scheint mir ein Bild auf das Leben zu sein. Finden wir uns nicht immer mal wieder in Situationen wieder, wo es eigentlich nur den Weg nach vorne gibt, dieser uns aber gar nicht gefällt. Er scheint uns zu schwer, vielleicht gar unmöglich und wir hätten zu gerne eine Abkürzung oder eine Gondelbahn, die uns bequem ans Ziel bringt. Wenn wir aber Hilfe annehmen und den Weg weiter gehen, wird etwas geschehen in unserem Herzen. Gott kann etwas in uns formen und am Ende wird seine Herrlichkeit sichtbar werden.
Gipfeltreffen
Unsere Zeit - gerade hier im Westen - ist so durchdrungen von der Einstellung: Es muss Spass machen. Wenn es keinen Spass macht, lass es. Ich frage mich, was für eine Generation unter diesem Glaubenssatz heranwächst? Was für Führungskräfte, Lehrpersonen, Pflegepersonal, Bauern, Mütter & Väter etc. werden sie einmal sein, wenn sie alles vermeiden und umgehen, was unangenehm ist? Ist es nicht lieblos, wenn wir unseren Kindern alle Steine aus dem Weg räumen? Nehmen wir ihnen nicht unzählige Gelegenheiten, um zu wachsen? Zu was für einem Menschen werde ich, wenn ich nur die Gipfelmomente des Lebens feiere ohne die Bereitschaft, durch die dazugehörigen Täler zu gehen?
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Ja, ich liebe den Ausblick von einem Berggipfel. Den Weitblick von einem Hügel, der mir immer wieder die Einsicht gibt: Gott ist so viel grösser als ich und meine Sicht. Wir brauchen diese Gipfelmomente, keine Frage. Sie stärken unsern Glauben, unsere Hoffnung und unsere Sicht. Sie geben uns Kraft für den nächsten Aufstieg.
Doch im Gegenzug trainiert uns die Beschwerlichkeit des Aufstiegs für das nächste Gipfeltreffen. Unser Sohn hat in der besagten Wanderung gelernt, durchzuhalten (was ihm sichtlich keinen Spass bereitete). Wir haben ihm diese unangenehme Grenzerfahrung zugemutet, weil wir wussten, dass es sich lohnen wird. Wieviel mehr sieht Gott unser Leben vom Ende her und weiss, wie er uns formen kann. Kannst du ihm vertrauen, dass er dich nicht überfordert?
Hoffnung im Tal
Täler gehören zum Leben dazu, ob wir das wollen oder nicht. Doch da ist Hoffnung. Denn wir dürfen unseren Schmerz, unsere Krisen und unser Leid mit Gott und auch mit unseren Brüdern und Schwestern teilen. Wir sind darin nicht alleine. Und wo wir zu Gott gehen mit unserem Schmerz, wird etwas in uns geformt werden. Gott kann und will es zum Guten nutzen, so dass kein Leid umsonst oder sinnlos bleiben muss.
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Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, sind es oft die schwierigen, schmerzhaften Momente, die viel in mir bewegt haben. Die mein Herz weicher machten. Die meinem Leben mehr Tiefe und Reife gaben. Ich wünsche mir keinen dieser Moment zurück, doch ich bin dankbar für das, was sie in mir bewirkt haben, und möchte sie deshalb nicht missen.
Du bist nicht allein
Der Philosophe und Theologe Dr. Johannes Hartl sagt in einem Referat über Leid treffend:
Das Schlimme am Leiden ist nicht das Leiden an sich, sondern das sinnlose und einsame Leiden. Jesus hat uns nie ein Leben ohne Leid versprochen. Aber er hat versprochen, dass wir nie alleine und sinnlos durchs Leid gehen müssen.
Dr. Johannes Hartl
Wenn du zur Zeit in einer schwierigen Lebensphase steckst, möchte ich dich ermutigen, damit zu Jesus zu gehen. Deinen Schmerz mit ihm zu teilen. Sei nicht korrekt, sondern mute dich ihm so zu, wie es dir wirklich geht. Und du darfst dir gewiss sein: Er ist da. Er wird dich nie verlassen. Was auch immer dich bewegt, Jesus weiss, wovon du sprichst. Er ist durch noch tiefere Täler gegangen.
Mute dich auch deinen Brüdern und Schwestern in der Kirche zu. Ich bin sicher, du wirst merken, dass du nicht allein bist. Andere haben den Gipfel vielleicht schon vor dir erklommen und wissen, dass du kurz vor dem Ziel stehst. Oder jemand war vor dir im selben Tal und kann dir Trost zusprechen. Und vielleicht merkst du auch, dass ihr euch gerade am gleichen Ort befindet und eure Last aufteilen könnt. Wir sind einander gegeben, um einander zu tragen und zu stärken.
Alleine Jesus nachfolgen geht nicht. Wir brauchen einander.