Weniger ist mehr! Klingt abgedroschen. Ist da was dran? Wenn ja, wie soll das im Alltag funktionieren? Gedanken zum Jahresende.
Meine Güte
Wir leben den Traum unserer Urgrosseltern. Unser Lebensstandard war für sie unerreichbar. "Meine Güte" würden sie sagen, wenn sie uns heute sähen, "ihr müsst überaus glücklich sein!" Per Knopfdruck erhalten wir Zugang zu Dingen, die sie nur durch tägliche, harte Arbeit bekamen: Wärme, Sauberkeit, Transport und Nahrung. Ölheizungen, Waschmaschinen, Autos und Supermärkte erleichtern uns das Leben und "sparen" Zeit. Und wie füllen wir diese Zeit?
Als meine Grossmutter ihre Wäsche zum ersten Mal in ihrer neuen Waschmaschine waschen konnte, setzte sie sich davor und schaute den drehenden Bewegungen zu. Nach jahrelangem, mühsamem waschen von Hand, wusste sie im ersten Moment gar nicht, was sie mit der geschenkten Zeit anfangen soll.
Kennst du folgenden Gedanken? "Ach, hätte ich doch mehr Zeit, dann..." Es ist derselbe, wie "Ach, hätte ich doch mehr Geld..." Und was machen wir, wenn wir mehr Zeit und mehr Geld haben? Richtig. Wir geben mehr Geld aus und füllen die Zeit mit den genau gleichen Dingen wie bisher. Versteh mich nicht falsch. Mehr Geld kann sehr wohl helfen. Mehr Zeit auch. Doch viel wichtiger ist die Frage: Wie setze ich sie ein?
HERR, lass mich erkennen, wie kurz mein Leben ist und dass meine Tage gezählt sind; wie vergänglich bin ich doch! Wie begrenzt ist das Leben, das du mir gabst! Ein Nichts ist es in deinen Augen! Jeder Mensch, selbst der stärkste, ist nur ein Hauch, der vergeht – schnell wie ein Schatten verschwindet er. Sein Tun und Treiben ist viel Lärm um nichts! Er häuft sich Reichtümer an und weiß nicht, was einmal daraus wird. Worauf kann ich da noch hoffen? Herr, du allein bist meine Hoffnung! (Psalm 39,5-8)
Unsere Leistungs- und Konsumgesellschaft kennt nur eine sinnvolle Zeitnutzung: Noch mehr Arbeit und noch mehr Konsum! Und weil der Tag nur 24 Stunden hat, arbeiten wir einfach unter höherem Druck. Wir leben schnell. Wir arbeiten viel. Wir schlafen wenig. "Meine Güte..." höre ich meine Urgrossmutter sagen. Dieses Mal mit entsetztem Unterton.
Wir sind rastlos geworden. Mehr Zeit löst unser Problem nicht. Mehr Geld auch nicht. Es gibt nur einen Weg: Bremsen! Runter vom Gaspedal. Slow down.
"Mach weniger, mit mehr Fokus." / Photo by Art Helps
Slow down & Simplify
Verlangsamen & vereinfachen. Wie ist das gemeint? Wie soll das gehen? Die Gleichung ist relativ einfach. Wir haben unzählige Optionen, aber nur begrenzt Zeit. Also stopfen wir unsere Zeit mit möglichst vielen Aktivitäten voll. Um alles in den Tag oder die Woche zu bekommen, schrauben wir unser Lebenstempo hoch und die Ruhe- und Schlafenszeit runter. Beziehungspflege? Fehlanzeige! "Ich muss leider kurzfristig absagen, mir ist etwas Wichtiges dazwischen gekommen!" Unser Leben ist voll. Übervoll. Ist es auch sinnvoll?
Rastlosigkeit ist der grösste Feind von geistlicher Reife. Du musst Rastlosigkeit schonungslos aus deinem Leben verbannen. (Dallas Willard)
Gott geht gemächlich, weil er Liebe ist. Wäre er nicht Liebe, so würde er viel schneller gehen. Liebe hat ihr Tempo. Eine innere Geschwindigkeit. Anders als das Tempo unseres technologischen Zeitalters, an das wir uns so sehr gewöhnt haben. Das Tempo der Liebe ist gemächlich. (Kosuke Koyama)
Slow down & simplify. Verlangsamen & vereinfachen. Das eine geht nicht ohne das andere. Wir können nicht verlangsamen, ohne unser Leben auszumisten. Das merkst du jedes Mal nach einer Grippe, mit der du ein paar Tage flach lagst. Die Welt bleibt nicht stehen. Die Abgabetermine sind gesetzt. Die Rechnungen flattern ins Haus. Das Tempo verlangsamen geht nicht ohne decluttering – entrümpeln.
Vereinfachen bedeutet: Mach weniger, mit mehr Fokus!
Wer langsamer lebt, hat nicht mehr Zeit für "alles". "Nein sagen" ist angesagt. "Nein" ist ein vollständiger Satz. "Nein" ist eine vollständige Begründung und bedarf keiner weiteren Erklärung. Prioritäten setzen wird zur Schlüsselqualifikation. Solange wir die Welt als Spielplatz sehen, rennen wir wie Kinder von einem zum nächsten Spielgerät, um ja nichts zu verpassen.
Eine neue Art Mensch zu sein, dafür hat Jesus gelebt. Dafür ist er gestorben. Er selbst ist die Tür zu diesem neuen Menschsein. Er lädt uns dazu ein, bei ihm zu sein und von ihm zu lernen.
Kommt zu mir! Alle, die ihr am Ende seid, abgearbeitet und mutlos: Ich will euch Erholung und neue Kraft schenken. Lebt im Einklang mit mir und lernt von mir! Denn ich bin voller Sanftmut gegenüber allen und bin geprägt von wahrer Demut. Wenn ihr mich zum Vorbild nehmt, wird euer ganzes Leben zur Ruhe kommen. Wenn ihr mit mir im Gleichklang lebt, könnt ihr aufblühen. Die Lasten, die ich euch zu tragen gebe, sind leicht. (Matthäus 11,28)
Photo by 30daysreplay Social Media Marketing / Unsplash
Im Gleichklang
Anhand welcher Werte entscheide ich, was in meinem Tag und meiner Woche Platz haben soll und was nicht? Die Frage könnte so lauten: Was hilft mir, im Gleichklang mit Jesus zu leben? Im Einklang mit Jesus leben, bedeutet, sein Leben auf drei Lebensziele auszurichten:
1. Bei Jesus sein
2. Wie Jesus werden
3. Tun was Jesus tat
Wie lebt sich ein Leben im 2023, das auf diese Ziele ausgerichtet ist? Wie lebt es sich in deinem Alter und deiner Lebensphase? Was soll ich sinnvollerweise mit meiner Zeit machen, die mir noch bleibt, nach Abzug grundlegender Aktivitäten wie Arbeit, Essen und Schlaf?
Der Weg nach vorne ist der Weg zurück. Zurück zu den Anfängen. Wie haben es die Jesus-Nachfolger der ersten Jahrhunderte gehalten? Damit Jesus nachfolgen kein frommer Wunsch bleibt, brauchen wir "geistliche Übungen", die Raum schaffen für das Antrainieren und Einüben eines Lebens im Gleichklang mit Jesus. "Geistliche Übungen" bedeutet: Übungen, die vom heiligen Geist inspiriert & initiiert sind. John Mark Comer und sein Team von practicingtheway.org haben neun Übungen zusammengestellt, allesamt Jahrtausende lang erprobt und für sinnvoll und nützlich erachtet.
1. Sabbat
2. Gebet
3. Fasten
4. Einsamkeit & Stille
5. Bibel
6. Gemeinschaft
7. Genügsamkeit
8. Grosszügigkeit
9. Gastfreundschaft
Wir leben in einer Sofort-Gesellschaft. Wir tippen in die Tastatur und der Computer spukt ein Resultat aus. Mit Jesus ist es anders. Wir können uns nicht in den Gleichklang mit Jesus hineindenken. Unser Denken mit den richtigen Informationen zuballern bringt noch kein Wachstum. Wir brauchen Übung. Übung braucht Zeit. Und Geduld.
Da sprach er zu allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten. Denn welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schaden an sich selbst? (Lukas 9,23)
Das klingt nicht gerade nach Selbstverwirklichung. Im Gegenteil. Jesus spricht von Selbstverleugnung. Das hat mit Vertrauen zu tun. Meine Wünsche und Vorstellungen zurückstellen. Mein wohl erdachtes Lebenskonzept beiseitelegen. Verantwortung für mein Leben übernehmen. Jesus verspricht, dass wir das Leben erst erhalten, wenn wir unser Leben für ihn hergeben. Herausfinden, wie das geht und es praktisch umsetzen, darum geht's.
Slow down & simplifly. Verlangsame dein Lebenstempo und vereinfache deine Prioritäten. Mach weniger, mit mehr Fokus.