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Identität (Teil 6)

Emanuel Hunziker Emanuel Hunziker

Die Jesus-Identität hat es in sich. Sie vereint Mut und Demut und gibt uns einen einzigartigen Zugang zu unseren Emotionen.

Wir haben im Teil 5 die von Jesus geprägte Identität definiert und in den Kontext der traditionellen und modernen Identität gestellt. Die Jesus-Identität kann man sich nicht erarbeiten, nur erhalten. Sie wird uns von Gott geschenkt. Dieses Geschenk anzunehmen erfordert das Bekenntnis: Ich kann mich nicht selber erlösen durch meine Leistung, egal ob traditionell oder modern.

Vier einzigartige Merkmale

Die von Gott geschenkte Identität ist einzigartig. Tim Keller definiert vier einzigartige Merkmale der Jesus-Identität.

1. Die Co-Existenz von Mut und Demut

Jede Identität, die auf Leistung basiert, funktioniert folgendermassen:

  • Wenn du den gesetzten Standard erreichst, dann fühlst du dich mutig und
    selbstsicher, aber nicht sehr demütig und bescheiden. Du fühlst dich ebenbürtig mit allen anderen Gewinnern, aber du behandelst die, welche den Standard nicht erreichen, von oben herab.
  • Wenn du es aber nicht schaffst, die gesetzten Standards zu erreichen, dann fühlst du dich als Versager und bist sehr demütig, aber nicht mehr mutig. Zudem bist du dann sehr einfühlsam und verständnisvoll mit anderen, die auch versagen.

Darum gruppieren sich Versager und Gewinner in separaten Gruppen. In der Bibel gibt es einige Stellen, die vom «sich rühmen» handeln. Eine bekannte Stelle ist
Jeremia 9,22-23:

So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne...

Die Bibel sagt interessanterweise nicht, dass du dich als Christ nur noch als elender Sünder demütigen sollst und dich nicht mehr rühmen darfst (im Sinne von stolz sein auf etwas, wie z.B. «ich bin stolz, ein Teil der Nationalmannschaft zu sein»). Wenn du Christ wirst, rühmst du dich immer noch, aber nicht mehr der Dinge, derer du dich zuvor gerühmt hast. Du rühmst nicht wegen deiner Weisheit, Stärke oder deines Reichtums. Denn diese Dinge sind sehr unstetig und machen dich entweder selbstsicher und dafür arrogant, oder demütig und dafür unsicher. Aber nie selbstsicher und bescheiden zugleich, nie mutig und demütig zugleich.

Nur die Jesus-Identität gibt dir beides zur selben Zeit! In Christus gibt es eine einzigartige Co-Existenz von Mut und Demut. Warum?

  • Du bist demütig, weil du so sündig und fehlerhaft bist, dass Jesus für dich sterben musste.
  • Du bist gleichzeitig mutig, weil Jesus dich so sehr liebt und annimmt, dass er es gerne für dich tat.

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Photo by Jon Ly / Unsplash

Deine Identität basiert nicht darauf, besser zu sein als alle anderen. Andere Leute können sogar bessere Menschen sein als du, aber das löst keine Identitätskrise bei dir aus. Es mag dich beschämen, aber die Evangeliums-Identität gibt dir eine Bestätigung, die davon nicht erschüttert werden kann.

Menschen, die zutiefst unsicher sind, tun 3 Dinge:

  1. Sie versuchen dich zu dominieren (Mut ohne Demut)
  2. Sie tun alles, um bestätigt zu werden (Demut ohne Mut)
  3. Sie ziehen sich zurück (Demut ohne Mut)

Mit der Jesus-Identität hast du eine Co-Existenz von Mut und Demut, die absolut einzigartig ist! Beide halten sich in einer dynamischen Balance, weil Jesus selbst das Zentrum deines Lebens ist.

2. Ein einzigartiger Zugang zu Emotionen

Die traditionelle Identität sagt: Unterdrücke deine Gefühle! Es spielt keine Rolle, was du fühlst. Erfülle einfach deine Pflichten.

Die moderne Identität sagt: Verabsolutiere deine Gefühle! Lass Dich von deinen Gefühlen leiten. Wenn deine Gefühle sagen: Das musst du tun – dann musst du es tun! Brich jegliche Versprechen, tu alles Mögliche, wenn du es so fühlst.

Augustinus schrieb als erster Autor der Antike ein autobiographisches Buch (Confessiones) über seine Gefühle. Er schaute in sich hinein, auf sein inneres Verlangen. Im Altertum sagte man: Gefühle machen nur Ärger, vergiss sie einfach. Aber Augustinus verstand, dass gemäss der Botschaft von Jesus nicht unsere Gefühle das Problem sind, denn Gott hat uns mit Gefühlen erschaffen. Doch unsere Leidenschaft für Gott ist spärlich im Vergleich zur Leidenschaft für andere Dinge. Und das ist der Grund, warum unsere Gefühle unkontrollierbar und in Unordnung geraten sind.

Die Lösung besteht weder darin, sich von den Gefühlen kontrollieren zu lassen, noch darin, sie zu unterdrücken. Die Lösung liegt in der richtigen Ordnung. Die richtige Reihenfolge muss aufgerichtet werden, bei der unser Verlangen nach Gott an erster Stelle kommt.

Beispiel 1
Ich werde meine Frau nicht angemessen lieben können, wenn ich sie mehr liebe und verehre als Gott. Warum? Weil ich enorm viel Druck auf sie ausüben werde. Sie muss mich immer bestätigen und mir steht’s wohl gesinnt sein. Was, wenn sie mal einen schlechten Tag hat und mir nicht die Bestätigung geben kann, die ich in dem Moment brauche, weil ich auch einen schlechten Tag habe? Nur wenn ich Gott mehr liebe als meine Frau, werde ich meine Frau gut und angemessen lieben können. Die Lösung liegt also nicht darin, dass ich meine Gefühle für meine Frau unterdrücken muss. Aber auch nicht darin, meine Frau zu meinem Götzen zu machen.

Zu dem Grad und in dem Ausmass, wie du Gottes Liebe in deinem Leben erlebst und erfährst, werden sich deine anderen Sehnsüchte und Leidenschaften in der richtigen Ordnung formieren. Sie werden nicht mein Hauptantrieb sein, sondern ihren rechtmässigen Platz in der Ordnung finden.

Beispiel 2
Ein entscheidender Teil der Identität in Christus lautet: Jesus kommt immer zuerst. Oder anders gesagt, Jesus hat immer das letzte Wort. Aber das eliminiert die anderen Anteile deines Seins nicht. Deine Rasse wird dadurch nicht eliminiert, auch nicht deine Vorliebe für deinen Job. Es stuft alle anderen Anteile einfach zurück. Die anderen Anteile sind nicht mehr dein Hauptantrieb und sie zerstören dich darum auch nicht mehr, wenn du ihnen nicht gerecht wirst.

Als Frau musstest du dich vor 200 Jahren entscheiden: Du kannst diese Karriere machen oder diesen Mann heiraten, aber nicht beides zusammen. Das Skript der Kultur vor 200 Jahren hätte klar gesagt: Heirate den Mann und vergiss die Karriere. Warum? Weil du damals weniger oder nichts wert warst als Frau, es sei denn du wurdest Ehefrau und Mutter. Familie war das ultimativ Wichtigste. Das Skript der heutigen westlichen Kultur sagt: Wähle die Karriere und vergiss den Mann. Warum? Weil deine Unabhängigkeit als Frau das Allerwichtigste ist!

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Photo by Jon Ly / Unsplash

Doch wenn deine Identität in Christus ist, dann haben deine Familie wie auch deine Karriere einfach ihren Platz in der Prioritätenliste und Jesus steht an erster Stelle. Es sind keine Identitäten mehr und darum nicht mehr dein Hauptantrieb.

Nun, wenn du dir als eine Frau, die an Jesus glaubt, die Frage stellst: "Karriere oder Heirat?" Was ist die richtige Antwort? Die richtige Antwort lautet: Es kommt drauf an! Auf was kommt es an? Es hängt von ganz vielen Faktoren ab, weil du eine Jesus-Identität hast und frei bist, eine Entscheidung zu treffen! Es sind nicht mehr Dinge, die in deinem Leben um den ersten Platz kämpfen, sondern einfach wichtige Dinge in deiner Prioritätenliste.

Die Botschaft von Jesus sagt: Wenn du die Liebe Gottes erlebst und Gott deine Liebe schenkst, und wenn du Gott den wichtigsten, ersten Platz gibst in deinem Leben, dann ordnen sich die anderen Prioritäten von alleine und finden ihre Priorität unter Gott.


Das 3. Merkmal folgt im Teil 7.

Identität (Teil 6)
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