Königin Elizabeth II bestieg den Thron just im selben Jahr, als Klein-Wladimir in Leningrad auf die Welt kam. Eine Gegenüberstellung.
Hybris. Der Moment, wo alles kippt und das offensichtliche Verderben droht, wo der Mensch sich aus Gottes mandatiertem Schutzbereich entankert und IHM die Rolle streitig macht, sich um SEINE Gebote und Massstäbe foutiert und im Grössenwahn sehenden Auges in den Mahlstrom des Chaos stürzt, mit sich reissend, wen er noch zu fassen kriegt...
Selbst geübte Blogschreiber erschaudern, wenn die Wirklichkeit ihr Getippse überlagert. Da geht man in sich, weil die Verlagsleitung einen weiteren Artikel fordert — werweisst, welches ultimative Thema sich am besten für die Endz... — Entschuldigung! — am Ende einer über zweijährigen Pandemie eignet und wählt dann, weil Her Majesty The Queen ihr 70. Thronjubiläum feiert, die Serie über «Königtum» (super auch, da man am Schluss immer bei Gott landet).
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Wann endlich hält der nächste Bahnhof?
Und urplötzlich überschlagen sich die Ereignisse, und es scheint, als ob sich die Geschichte selbst überholt und die Beschleunigung sich selbst beschleunigt und man schnappend nach Luft die Notbremse zu betätigen versucht, die nicht funktioniert und dann nur noch jener eine nackte Instinkt übrigbleibt: Irgendwie auszusteigen.
Willkommen in der dritten Dekade des 21. Jahrhunderts, dem Zeitalter des (Ver)wischens. Wie die führerlosen U-Bahnen in den Katastrophen-Blockbustern Hollywoods an den Perrons zahlloser Stationen unaufhaltsam vorbeitosen — so fegt nun der Zeitgeist mit atemberaubender Geschwindigkeit Schlagzeile um Schlagzeile von unseren Screenz... Nachdem wir uns wohlig über 24 Monaten lang von den täglichen Inzidenzzahlen haben einlullen lassen, uns träge durch das halbe griechische Alphabet von Variante zu Variante hangelnd, kommt plötzlich dieser Möchtegern-Zar daher mit seinen Grossmachtsphantasien und den überlangen Tischen und beraubt uns alle der Erfüllung unserer trügerischen Sehnsucht nach so etwas, das früher einmal «Normalität» hiess. Es ist wieder Krieg in Europa.
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Weshalb Wladimir kein Monarch ist
Ich gebe zu: Vielleicht mag ja mein Cliffhanger am Schluss von Teil 1 (mit der Demut der Queen als Schlüsselqualifikation ihres Dienstes) ein wenig quer in der Textlandschaft gestanden haben, doch welch Kontrast zur Haltung des russischen Machthabers!
Hier die ruhige, souveräne Regentin, ihrem Amt seit 70 Jahren treu ergeben im Wissen drum, dieses aus Gottes Hand erhalten zu haben, und dort der russische Bärserker (Wortspieler ist der Red. bekannt), dessen biologische Uhr unaufhaltsam tickt (auch von Gott eingerichtet) und ihm schmerzlich bewusst macht, dass voraussichtlich seine Zeit früher abläuft, als ihm lieb ist. Pikantes Detail: Elizabeth II bestieg den Thron just im selben Jahr, als Klein-Wladimir in Leningrad auf die Welt kam. Beide haben also dieses Jahr einen 70. zu feiern (allerdings ist das Geschenk, das Putin sich heuer selbst zu seinem Runden macht, kaum an Perversität zu übertreffen).
Wikipedia stellt unter der Rubrik «Monarchie» in einer kleinen Tabelle die Herrschaftsformen anhand der Anzahl und dem Gemeinwohl gegenüber und deren pervertierte Form dar: So wird ein Alleinherrscher Monarch genannt, wenn er das Wohl seines Volkes über allem stellt, ein Mensch wie Putin aber, dessen Gewaltherrschaft bereits eine eigene politische Kategorie, den Putinismus, erhalten hat, wird von der Geschichte eine ganze Liste an Bezeichnungen angehängt bekommen, die im Andenken der Völker ihm sicher nicht zur Ehre gereichen werden: Autokrat, Despot, Tyrann, Diktator, um nur einige zu nennen.
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Der ideale König als «role model»
Im ersten Teil habe ich (allerdings nur oberflächlich) das Phänomen erörtert, wie es dazu kommt, dass Menschen bereit sind, sich einem der ihren zu unterwerfen, gleichgültig, wie «gut» einer sei. Im nächsten Artikel werde ich die Frage beleuchten, ob es überhaupt jemandem gelingt, alleine zu herrschen, ohne je von der Macht korrumpiert zu werden — d.h., gibt es den idealen Monarchen überhaupt? Die Antwort vorweg: Ja, den gibt es.
Und er kommt bald wieder.
Und auch Wladimir Wladimirowitsch Putin wird aufgerufen werden, sich vor IHM zu verantworten.
Nicht lustig.