Die Pandemie hat Furchen gerissen – zwischen Familien, Institutionen und ganzen Gesellschaften. Die Gemeinde Christi ist nicht verschont geblieben – Brüder und Schwester geraten aneinander, bezichtigen sich gegenseitig, Teil einer Hirnwäsche zu sein.
In Gesprächen über Kirchengeschichte hatten wir uns oft die Frage gestellt: «Wie konnte es dazu kommen, dass die Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte so viele Spaltungen und Denominationen hervorgebracht hat? Haben wir nicht EINEN Glauben und EINEN Erlöser?» Die Kirche teilte sich an scheinbar belanglosen Trennlinien wie Jesu als ewiger oder geborener Sohn Gottes, Eucharistie oder Abendmahl, Kindestaufe oder Erwachsenentaufe, Bibeltreue oder Geistesgaben. Vergangenheit ist aus der Retroperspektive nur schwer nachzuvollziehen: Vergangen ist belanglos, weil… eben vergangen. Die Kämpfe sind Vergangenheit; jetzt ist es so, wie es ist… oder?
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Die Pandemie ist ein dankbar erlebbares Lehrstück dafür, wie Spaltungen funktionieren. Die Akte «Corona» ist mehr als ein Virus. Sie konfrontiert in Christen Fragen, welche die Theologie nicht abschliessend beantwortet: Was ist Teil des göttlichen Auftrags des Staates (nach Römer 13,19) und was gehört nicht dazu? Was sind Zeichen der Endzeit (nach Matthäus 24, ab Vers 3) und welche gehören nicht dazu? Diese Fragen sind nicht nur theologisch. Sie sind verschränkt mit Weltbildern, Lebensvorstellungen und Charakterzügen. Allzu verständlich, dass Menschen sich trennen, wenn sie diese Fragen nicht gleich beantworten.
Liebe ist kein Ideal
Verständnis ist nicht Akzeptanz. Wenn du dich im Herzen von deiner Schwester oder deinem Bruder distanzierst wegen deren / dessen Meinung zu Corona, hat der Feind gewonnen. Punkt. Ja, am Ende hat eine Seite recht, die andere nicht. Geschwister treffen unterschiedliche Entscheidungen aufgrund unterschiedlicher Meinungen. Die Apostelgeschichte zeigt uns mehrere Situationen, in denen sich Brüder uneins waren, zB. trennten sich Paulus und Barnabas aufgrund einer Meinungsverschiedenheit zur Person von Markus. (Apostelgeschichte 15,36-40) Doch in allen Fällen stand die Verbreitung und Verkündigung des Evangeliums im Fokus; Paulus passte seine Meinung zu Markus später sogar an. (2. Timotheus 4,11)
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Die Corona-Massnahmen sollen Ende Februar fallen. Mag Corona ein Ende nehmen, der Feind wird eine neue Möglichkeit suchen, zu spalten. Und darauf muss sich die Gemeinde Christi vorbereiten. Doch wie? Was war das Rezept der Apostel? Hier ein Negativbeispiel: «Seid lieb miteinander, ihr Christen!» Diese Aufforderung ist lächerlich. Sie kommt aus der Dose «Nett sein» und bedeutet: Gute Miene zum bösen Spiel, Fassade. «Jo isch halt schwierig, e so eini zliebe» «Jojo, gell, ich bin au nur en Mensch.» Als ob die Nächstenliebe ein unerreichbares Ideal wäre, dem wir nacheifern. Als ob. Die Welt erkennt nicht, dass Christus der Herr ist, weil wir versuchen, uns zu lieben. (Johannes 13,35) Das ist das Zeugnis von Menschen, denen die Erlösung durch Jesus nicht so wichtig ist.
Waren wir nicht die Verschwörer gegen Gott und er hat uns dennoch in Liebe empfangen? Waren wir nicht die Schafe, die dem Verführer zur Schlachtbank gefolgt waren, und sind errettet durch das Lamm, dass sich für uns schlachten liess?
Egal, wie dein Bruder tickt: Wir lieben uns nicht im ungenügenden Eifer, ein Ideal zu erfüllen. Wir lieben uns, weil wir so viel Liebe nötig und geschenkt bekommen haben. Wem viel vergeben ist, der liebt viel. Wertschätzung ist kein Ideal. Sie ist die Grundlage unseres Glaubens.
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Das Band
Wer die Briefe des Paulus an die Christengemeinden in einem hohen Tempo durchliest, bemerkt, wie oft er die Empfänger zur Einheit, gegenseitigen Wertschätzung und zur Liebe zueinander auffordert. (zB. Kolosser 2,2) An vielen Stellen verbindet Paulus das mit zweierlei Kontext: Zum einen malt er ein Bild davon, wer Christus ist und was er getan hat.(zB. Kolosser 1, ab Vers 15) Damit macht er klar, was für eine reiche Quelle an Liebe wir Menschen haben. Zum anderen macht er die Gemeinde warnend auf spaltende Elemente aufmerksam. (zB. Kolosser 2,4) Die Liebe scheint das Mittel gegen diese Spaltungen zu sein.
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Nicht umsonst hat Paulus die Liebe in einer Metapher dargestellt, die in so vielen Hochzeiten rezitiert wird: Die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält. (Kolosser 3,14) Um die Metapher in der deutschen Sprache zu verdeutlichen: «Band» ist ein Nomen, das aus der Vergangenheitsform von «binden» abgeleitet wurde. Dasselbe gilt für das Wort «Bund». Das heisst, «Band» oder «Bund» bezeichnet, dass bereits etwas gebunden ist. Wenn es zum Bruch kommt, hält das Band / der Bund zusammen, weil es /er schon da ist.
Deshalb: Lasst uns einander lieben, wenn es «Sprüng i de Schüssle» gibt – dann bleibt die Schüssel ganz.