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Toleranz! Anything goes?

Josua Hunziker Josua Hunziker

Wohl kaum eine Eigenschaft wird heute vehementer gefordert als Toleranz. Kann ich mir einen eigenen Standpunkt überhaupt noch leisten?

Ein eigener Standpunkt bedeutet für mich, festen Boden unter den Füssen zu haben. Auf gewisse Grundwahrheiten zu vertrauen und auf diesem Fundament aufzubauen. Dies bedingt auch, Grenzen zu ziehen; es bedeutet, Wahr und Falsch, Gut und Böse zu unterscheiden. Kritiker werden mir vorwerfen, dass ich damit den Dialog verunmögliche, andere Menschen unvermeidlich diskriminiere und mich hinter meinen Privilegien als weisser, gut gebildeter und heterosexueller Mann verstecke. Doch ich bin überzeugt: Genau das Gegenteil ist der Fall. Nur durch festen Boden unter den Füssen wird Toleranz erst möglich.

Mein Bruder, Emanuel Hunziker, hat auf diesem Blog die Frage aufgeworfen, wie wir in der heutigen Zeit effektiv über Jesus reden und das Evangelium verkündigen können. Die Ansätze, welche wir uns als Kirchen über Jahrzehnte antrainiert haben, scheinen in der heutigen pluralistischen Gesellschaft an Effektivität eingebüsst zu haben. Was ist also zu tun? In seinem lesenswerten Artikel hat Emanuel einige Ansätze dazu aufgezeigt, und er schloss in Anlehnung an Dr. Timothy Keller und Prof. John Inazu mit einem Aufruf zur Demut, Geduld und Toleranz. Diesen drei Begriffen möchten wir in einer Kurzserie noch genauer auf den Grund gehen. Wir starten mit der Toleranz.

Alles fordert Toleranz

Toleranz. Ein belasteter Begriff, dessen sich heute viele Meinungsmacher bedienen. Mir scheint, dass Toleranz für manche Kreise zum Inbegriff des moralischen Massstabes geworden ist. «Sei tolerant!». «Diese Haltung ist ja völlig intolerant!». «Jene Geste ist ein Musterbeispiel für gelebte Toleranz.» Wohin man schaut, wird Toleranz gefordert und gefeiert. «Wir haben doch alle die gleichen Rechte!». «Wie kann man denn einem lesbischen Paar das Recht auf Kinder verweigern wollen?». «Wie kann man eine Frau zwingen, ihren Fötus auszutragen und für das Kind zu sorgen? Ist das nicht die Entscheidung jedes Einzelnen?». «Mehr Toleranz bitte! Mehr Toleranz!». Das Einzige, was nicht tolerabel ist, ist Intoleranz. Spröder Konservatismus, verknorrtes, rückständiges, chauvinistisches Gedankengut. Das geht gar nicht.

Ja, wir Kirchen haben nicht gerade den besten Ruf, was Toleranz angeht. Im Gegenteil. Wer heute von uns Christen und der Kirche Toleranz fordert, meint im Allgemeinen, dass wir doch bitte sehr akzeptieren sollen, dass sich die Zeiten geändert haben. Wir leben schliesslich nicht mehr im Mittelalter. Monogame Sexualethik, Unterdrückung der Frau (z.B. in Form von verwehrten Abtreibungen) und Leugnung von Homosexualität passen doch einfach nicht mehr ins aufgeklärte 21. Jahrhundert. Kein Wunder, werden die Kirchenbänke leer. Wer will sich denn noch sowas anhören?

Meint also Tim Keller mit seinem Aufruf zur Toleranz, dass wir unser orthodoxes Bibelverständnis aufgeben und uns den gesellschaftlichen Strömungen endlich öffnen sollen? Dass sich unsere Kirchen wieder füllen würden, wenn wir nur etwas weltoffener mit den Entwicklungen unserer Zeit umgehen würden? Wohl kaum! Keller wäre wohl der Letzte, der sein durchaus orthodoxes und in der Kirchentradition gut verankertes Bibelverständnis über Bord werfen würde. Was ist denn damit gemeint, dass wir Toleranz benötigen, um heute das Evangelium zu verkündigen?

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Anything goes?

Als erstes lohnt sich wohl ein Blick auf den Begriff «Toleranz» an sich. Heisst Toleranz denn wirklich, dass ich meine Grenzen von Wahrheit und von Gut und Böse verschieben muss? Bedeutet Toleranz, dass ich abweichende Meinungen und Deutungen als richtig gelten lasse? Bin ich tolerant, wenn ich alles akzeptiere? Ich denke nicht. Eric Gujer, der Chefredaktor der NZZ, bringt dies meiner Meinung nach in einem Kommentar zur «Burkadebatte» von 2016 gut auf den Punkt:

Toleranz bedeutet nicht, alles anzuerkennen, was von aussen an eine Gesellschaft herangetragen wird. Diese Feststellung muss man sich in Zeiten von Globalisierung, Migration und einem verbreiteten Gefühl des «Anything goes» immer wieder in Erinnerung rufen. Auch der weltoffene, freiheitlich-pluralistische Staat hat die Aufgabe, eigene Massstäbe zu setzen und zu verteidigen. Eric Gujer, NZZ

Dasselbe gilt auch für die Kirche. Toleranz kann nicht bedeuten, alle gesellschaftlichen Entwicklungen und Strömungen gutzuheissen. Im Gegenteil! Tolerant zu sein bedingt einen eigenen, überzeugten Standpunkt. Denn ich kann die Welt um mich herum nur aus diesem Standpunkt wahrnehmen. Und nur wenn ich meinen Standpunkt kenne, kann ich auch meine eigene Brille kritisch betrachten und von anderen betrachten lassen. Nur wenn ich meinen Standpunkt kenne, kann ich auf andere zugehen und in den Dialog treten. Kein Dialog ohne Toleranz — aber auch kein Dialog ohne Standpunkte. Das Motto «Anything goes» erstickt jede ernsthafte Diskussion im Keim.


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Die Grenze überschritten

Ich fahre über die Landstrasse, das Wetter ist schön, die Musik passt. Herrlich, wie der Sportwagen jede Kurve nimmt. Das Röhren des V8 Motors lässt mir die Nackenhaare aufstehen. Doch gerade, als ich genussvoll die weitläufige Linkskurve in Angriff nehme, werde ich trotz Sonnenbrille für Sekundenbruchteile geblendet. «Mist! Geblitzt!», denke ich. Mein Blick sucht die Tachonadel. 92. «Hm, wenn ich Glück habe, bin ich vielleicht gerade noch in der Toleranz.» Die Stimmung ist dahin. «Spassbremsen, diese Bullen!».

Vielleicht geht meine Hoffnung in Erfüllung und die Busse trifft tatsächlich nicht ein. Vielleicht war ich tatsächlich «in der Toleranz». Doch heisst das, dass der Staat meine Fahrweise an diesem Nachmittag gut heisst? Ist die Toleranz der Radarmessung das Eingeständnis des Gesetzgebers, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h doch eigentlich ziemlich langweilig ist? Eine verdeckte Erweiterung des erlaubten Geschwindigkeitsbereiches? Auf gar keinen Fall. Wenn mir jemand mit hundertprozentiger Sicherheit hätte nachweisen können, dass ich mit 92 km/h unterwegs war, wäre mir die Busse sicher gewesen. Der Toleranzbereich existiert nicht, weil die Grenzen aufgeweicht wurden. Sondern nur, weil in diesem konkreten Fall die Messmethode nicht exakt genug ist und das Prinzip «Im Zweifelsfall für den Angeklagten» gilt. Der Staat toleriert meine überhöhte Geschwindigkeit, aber heisst sie damit noch lange nicht gut.

Wer etwas toleriert, der stellt damit gleichzeitig fest, dass das Gegenüber eine Grenze überschritten, sich aus dem Bereich des Wahrhaftigen und Guten entfernt hat. Ansonsten lohnt es sich nicht, von Toleranz zu sprechen. Akzeptanz wäre dann der treffendere Begriff.

In Bezug auf Themen des Glaubens drückt es der amerikanische Autor Abdu Murray folgendermassen aus:

Toleranz funktioniert nur bei Unterschieden, nicht bei Gleichheit. Niemand muss Ideen tolerieren, welche sich von den eigenen Ideen kaum unterscheiden. Eigentlich ist es in solchen Situationen sinnlos, von Toleranz zu sprechen. Toleranz impliziert nicht nur Unterschiede, sondern auch Belastung und Spannung aufgrund dieser Unterschiede. Wir messen die Stärke von Metallen, indem wir untersuchen, wie sie Belastungen wie z.B. Vibration, Hitze und Kälte tolerieren. Genauso kann unser Mass an Toleranz an der entstehenden Spannung durch konkurrierende religiöse Behauptungen gemessen werden. Wir tolerieren uns gegenseitig wahrhaftig, wenn unsere gegensätzlichen Behauptungen Spannung auslösen. Verschiedene religiöse Glaubenssätze bringen uns dazu, unsere eigenen Glaubenssätze zu testen. Das ist wahre Toleranz. Und Toleranz kann zu Klarheit führen. Abdu Murray, Saving Truth (eigene Übersetzung)

Meinen eigenen Standpunkt zu kennen bedeutet dabei nicht, dass ich starrsinnig darauf bestehe und keine andere Meinung gelten lasse — das wäre die Definition von Intoleranz. Genauso wenig gilt aber, dass Toleranz bedeutet, meinen Standpunkt aufzugeben.


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Toleranz führt in den Dialog

Toleranz bedeutet, meinen Standpunkt und meine Grenzen zu kennen, und diese im unermüdlichen, respektvollen, wertschätzenden Dialog zu testen und zu schärfen. Und ja, manchmal bedeutet dies auch, meinen Standpunkt zu verschieben oder meine Grenzen weiter oder enger zu fassen. Nicht, weil irgendjemand einen anderen Standpunkt hat und ich diesen ja als genauso richtig wie meinen akzeptieren muss. Sondern, weil ich durch eine sorgfältige Auseinandersetzung und einen respektvollen Dialog überzeugt wurde.

Toleranz ohne Standpunkt endet hingegen in Indifferenz und Ratlosigkeit. Um noch einmal Murray zu zitieren:

Die Homogenisierung von religiösen Glaubenssätzen führt nicht zu Toleranz, sondern zu Indifferenz. Alle Religionen zusammenzumischen resultiert im farblosen Matsch, den ein Kind erzeugt, welches all seine Wasserfarben zusammenmischt. Abdu Murray, Saving Truth (eigene Übersetzung)

Dies gilt für den von Murray angesprochenen Mix der Religionen genauso wie für die Ausweitung des Begriffs „Christentum“ auf alle möglichen säkularen, pantheistischen oder anderen Strömungen.

Wir haben uns nun dem Begriff der Toleranz genähert, welchen Tim Keller meint, wenn er schreibt:

Toleranz bedeutet nicht, dass du deine Ansichten relativierst und dazu verpflichtet bist, der anderen Person zu sagen: «Du liegst nicht falsch», oder «Du liegst teilweise richtig». Ich kann sehr wohl sagen: «Du liegst völlig falsch und deine Ansichten sind entsetzlich, bösartig und beleidigend», und trotzdem tolerant sein. Du zeigst Mitgefühl, weil du verstanden hast, dass diese Person ein Geschöpf Gottes ist und nicht nur eine Schachfigur oder jemand, den du benutzen oder auf dem du herum trampeln kannst. Mein Gegenüber ist eine Person mit Wert und Würde. Meine Einsicht darüber, dass Gott uns alle erschaffen hat, zeigt sich darin, dass ich sie liebe, auch wenn sie völlig falsch liegt. Timothy Keller, Christian Post (eigene Übersetzung)

Der Kern der Toleranz liegt also nicht in der Akzeptanz der anderen Position, sondern in der Liebe, Annahme und Wertschätzung des Gegenübers als Geschöpf Gottes. Ich drücke tiefe Akzeptanz aus für die Person und gleichzeitig meine — möglicherweise fundamentalen — Fragezeichen bezüglich ihrer Position, ihrer Meinung, ihrem Handeln. Ich begegne meinem Gegenüber mit Liebe, und gerade darum lasse ich die Spannungen und Differenzen nicht unthematisiert. Ist mir jemand gleichgültig, so kann ich Differenzen problemlos links liegen lassen. Liegt mir jedoch jemand am Herzen, so nehme ich die Mühsahl eines wertschätzenden Dialogs über unsere Differenzen auf mich.


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Wie Toleranz sich in unseren Begegnungen auswirkt

Und damit kommen wir zum Punkt, warum diese Toleranz im heutigen gesellschaftlichen Kontext für die Verkündigung des Evangeliums unabdingbar ist. Denn nur wer sein Gegenüber als geschaffenen Menschen mit intrinsischer, unantastbarer Würde sieht, wird ihm trotz aller inhaltlicher und moralischer Differenzen mit einer gewinnenden, offenen Haltung begegnen können. Die verschiedenen Ansichten werden offen thematisiert und konfrontiert. Die inhaltliche Spannung wird von der persönlichen Wertschätzung getragen. In diesem Klima entsteht Dialog, Austausch und — wie Murray deutlich macht — Klarheit.

Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit. Im Gegenteil. Ein toleranter Mensch kann gleichzeitig um das Herz des Gegenübers eifern, es zu gewinnen versuchen. Der kürzlich verstorbene Apologet Ravi Zacharias hat es treffend auf den Punkt gebracht, als er sagte:

Die Rolle des Apologeten ist es, die Person zu gewinnen und nicht die Diskussion. Ravi Zacharias — eigene Übersetzung

Ist diese Sicht erst einmal geöffnet, finden wir in der Bibel und in der Kirchengeschichte eine ganze Menge Beispiele von dieser gelebten, liebenden und gleichzeitig konfrontierenden Toleranz:

  • In seiner Begegnung mit einer ertappten Ehebrecherin (Joh. 8, 1 – 11) liest Jesus der Frau nicht etwa die Leviten. Er rettet sie vor dem sicheren Tod und konfrontiert zuerst einmal die scheinheilige Elite mit ihrer eigenen Sünde. Doch auch die Ehebrecherin wird von ihrem Retter nicht mit Samthandschuhen angefasst: Er drückt ihr zwar seine Toleranz explizit aus («Ich verurteile dich nicht.»), nur um dann aber sogleich seine Einschätzung ihrer sündigen Lebensweise nachzuschieben: «Du kannst gehen, aber sündige nun nicht mehr!». Die Sünde wird beim Namen genannt, doch umfasst von Handlungen und Worten, welche höchste Wertschätzung für das Leben der Frau ausdrücken.
  • Allgemein ist bekannt, dass Jesus bei der Auswahl seiner Gesellschaft nicht zimperlich war und durchaus mit den «Outlaws» der damaligen Gesellschaft verkehrte. Korrupte Zöllner, Prostituierte und Zeloten — nicht gerade die erwartete Entourage des von Gott gesandten Königs. Eine wunderschöne Formulierung seines Toleranzverständnisses gibt Jesus in seiner berühmten Aussage: «Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. […] Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.» (Mt. 9, 12 — 14) Auch hier wird die Sünde nicht unter den Teppich gewischt, sondern in einer Atmosphäre von Liebe und Wertschätzung benannt.
  • Auch bei der Begegnung mit der samaritanischen Frau am Brunnen (Joh. 4) nimmt Jesus kein Blatt vor den Mund. Ja, das eigentliche Zeugnis der Frau, welches die Einwohner ihrer Stadt in Scharen anzog, lautete schlicht und einfach: «Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.» (Joh. 4, 39) Doch auch hier geht es Jesus offensichtlich um das Herz der Frau und nicht um die Blossstellung ihrer Sünde — Toleranz in obigem Sinne.
  • Auch der Auftritt von Paulus auf dem Athener Areopag (Apg. 17) lässt sich durch diese Brille betrachten. Paulus «toleriert» den religiösen Ansatz der Athener, bringt ihnen hohen Respekt und Wertschätzung entgegen. Er formuliert aber auch unmissverständlich, wo die Athener aus der Sicht des Evangeliums blind sind — auf dem Areopag von der Auferstehung der Toten zu sprechen, war ziemlich unerhört. Entsprechend erntete Paulus zwar von den einen Spott, doch andere Herzen konnte er gewinnen. (Apg. 17, 32 – 34)
  • Die durch die Goten entführten Sklaven-Christen im 4. Jh. ordneten sich ihren neuen Herren gewaltlos unter und liebten ihre Peiniger. Gleichzeitig gingen sie den Weg mit Jesus klar und tapfer weiter, «sodass sie», wie Erich Schnepel beschreibt, «ihre gotischen Herren innerlich eroberten». Sie wertschätzten ihre Entführer und blieben gleichzeitig klar und treu im Glauben an Christus, was nach und nach die Herzen ihres Umfelds gewann.

Going for a hike
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Toleranz und Evangeliums-Begegnugen

Aus all diesen Beispielen lassen sich einige Merkmale einer von Toleranz geprägten Evangeliums-Begegnung destillieren:

  • Das Gespräch ist geprägt von echtem Interesse und einer grossen Wertschätzung für das Gegenüber, seine Geschichte und seinen Standpunkt.
  • Als Ausgangspunkt dienen gemeinsame Überzeugungen und Ansichten. Ich bin überzeugt, dass sich diese basierend auf einer offenen Haltung zu jedem Menschen finden lassen.
  • Unterschiede in der Weltsicht werden in der Folge offen thematisiert. Die biblische Sicht des eigentlichen Problems der Menschheit — genannt Sünde — wird klar und dem Kontext entsprechend formuliert. Der Ton und die Art der Konfrontation bleibt aber immer geprägt von Wertschätzung und Respekt.

Diese tolerante Haltung lässt sich nicht einfach so produzieren. Sie ist im Innersten gewirkt durch den Heiligen Geist. Durch das Bewusstsein, dass ich mich auch selbst auf einem Weg befinde, die Wahrheit nicht einfach gepachtet habe und täglich Erlösung benötige. Oft wird es zudem nicht möglich sein, all diese Aspekte in ein einziges Gespräch, eine einzige Begegnung einzupacken. Es ist also Demut gefordert. Und Geduld. Mehr dazu in den Artikeln von Paul Bruderer und Emanuel Hunziker.

Island Explore
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Eine hohe Messlatte

Ich selbst bin zutiefst herausgefordert von dieser Forderung nach Toleranz, Demut und Geduld. Noch viel zu oft entdecke ich mich in der Rolle des Moralapostels, der sich in erster Linie um seine eigene Gerechtigkeit sorgt und lieber die Diskussion gewinnt als das Herz eines Menschen. Ersteres ist oft einfacher. Und in einer Gesellschaft, in welcher die Kirche ein Monopol auf die Definition von Gut und Böse hätte, wäre es nicht schwer, die eigene Selbstgerechtigkeit in ein beeindruckendes Mäntelchen von «heiligem Eifer und hingegebener Leidenschaft» zu verpacken.

Doch wir leben nicht in einer solchen Gesellschaft. Das Christentum und die Kirche werden als eine mögliche Option unter einer Vielzahl von mehr oder weniger gleichberechtigten Ansätzen angesehen. Darin tolerant zu sein bedeutet, sich weder trotzig auf die Insel seiner eigenen Weltsicht zurückzuziehen, noch die eigene Position aufzugeben und sich in einer Wolke von Indifferenz und Gleichgültigkeit aufzulösen. Wenn alles gleich gültig ist, wird am Ende alles gleichgültig sein. Wenn ich im Elfenbeinturm meiner Selbstgerechtigkeit verharre, wird am Ende alles verhärtet sein. Keiner der beiden Ansätze zeugt von Liebe für meine Mitmenschen. Keiner der beiden Ansätze mündet in der gewinnenden Verkündigung des Evangeliums.

Für die treue Erfüllung meines persönlichen Missionsauftrags bin ich zutiefst abhängig von Gottes Gnade. Nur Er hat es in der Hand, in mir diese gewinnende, wertschätzende Haltung der Toleranz zu formen. Diese Haltung, die ich mir selbst und auch dir von ganzem Herzen wünsche.

Toleranz! Anything goes?
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