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Wir sollten über Serendipität reden

Ramon Baumann Ramon Baumann

Serendi... — was?! Nur soviel: Die Erklärungs-Reise erstreckt sich von persischen Märchen über Post-it-Klebstoff und Viagra bis zu "Finding Nemo".

Die Hoffnung, das ständige Corona-Gezeter der Experten und Politiker käme gegen Ende dieses verrückten Jahres MMXX zum Erliegen (Lockdown, Lockup, Lackaff; Lucky Lock; Maske ja/nein/vielleicht/doch, aber nicht nur den Mund: unbedingt die Nase dazu; und ist das Plexi-Visier auch im ÖV erlaubt, und jetzt auch noch die Kinder?!), erweist sich als ein Trugbild, das einem die schmerzliche Erkenntnis hämisch grinsend unter die Nase reibt, das ganze Theater könnte sich durchaus noch eine Weile hinziehen...

Deshalb sei an dieser Stelle ein grosses Geheimnis verraten, das nur dir, geneigte Leserin, geneigter Leser, offenbart sein soll (da du's immerhin geschafft hast, bis hierhin mit Lesen durchzuhalten): Corona, kaum zu glauben, scheint nicht das einzige Problem zu sein, das die Menschheit hat.

Äxgüsi — da kriecht einem doch unvermeidlich die eine Frage den Kropf hoch: Weshalb zum Kuckuck sollte man diesen Lebensrucksack noch buckeln und herumschleppen wollen? Und wie lange, bitte schön, soll man sich das Ganze noch antun? Als ob der Alltag uns nicht schon genügend Lasten aufbürden würde! Lies Josua Hunzikers Blog vom 13. Februar 2020: Eine Zumutung (Ist keine Aussage über den Inhalt, sondern nur der Titel.)

Ein Antidot tut Not! Eine inspirierte Strategie in diesem fortschreitenden, zunehmend algorithmisch beherrschten 21. Jahrhundert, die infernale Kakophonie rund um den Globus auf stumm zu schalten — jetzt, wo die Kopfhörer das Noise-Cancelling entdeckt haben — und GOTTES Stimme herauszufiltern und glasklar zu hören. Wir müssen den Weg finden, uns ins Auge dieses gigantischen Sturms zu begeben und genau dort die tiefe, göttliche Stille zu geniessen, während rundherum der Wahnsinn tobt.

Giant Hurricane Space
Photo by NASA / Unsplash

Gedanken über Wasser, oder: Und der Geist Gottes schwebte

Überhaupt: Falls dir die Metapher des halbvollen Glases längst zu den Ohren raushängt — mit dem zeigefingerischen Hinweis, dass du es IMMER als halbVOLL sehen musst, dabei sich aber stets die Stimme des inneren Schweinehunds meldet: Wieso überläuft das Ding nicht einfach, und (viel dringender!) weshalb hat's nie Gin drin? — dann hör dir die beiden folgenden Geschichten an; die eine stammt aus der Feder von David Foster Wallace, einem amerikanischen Schriftsteller und Hochschullehrer, der beim Abschlussjahrgang der Kenyon University 2005 seine mittlerweile berühmte Rede damit eröffnete:

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen zu und sagt: »Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?« Die zwei jungen Fische schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und sagt: »Was zum Teufel ist Wasser

A gorgeous surgeon fish or tang swims past at the Cairns aquarium.
Photo by David Clode / Unsplash

Tiefer blicken, anders schauen, oder: Werde Entdecker*in!

Die andere, wesentlich längere Geschichte, ist ein Märchen aus dem persischen Raum mit dem Titel "Die Drei Prinzen aus Serendip" (laut Wikipedia soll der Begriff Sarandib die damals von arabischen Händlern gebräuchliche Bezeichnung für das alte Ceylon, das heutige Sri Lanka, gewesen sein). Die Story geht in etwa so, dass ein König seine drei Söhne derart liebte, dass er sie in die weiten Lande schickte, damit sie ihren Horizont erweiterten, und dabei machten sie viele unerwartete Entdeckungen, wodurch sie an Klugheit, Weisheit und Urteilsfähigkeit wuchsen und als reife, gestandene Männer an den Hof ihres Vaters zurückkehrten.

Das Märchen, früh übersetzt ins Italienische um 1300 herum und Mitte des 16. Jahrhunderts in Venedig herausgebracht, geriet ca. zweihundert Jahre später in den Fokus eines gewissen Horace Walpole, 4. Earl von Oxford, der aufgrund dieser Erzählung den Neologismus Serendipity prägte und in den englischen Sprachraum einführte. Den Begriff weltweit bekannt gemacht, hat dann aber schliesslich (gemäss Wikipedia-Eintrag) der amerikanische Soziologe Robert K. Merton 1945 in seinem Buch "The Travels and Adventures of Serendipity".

Natürlich geht es wieder einmal um das sattsam bekannte Refokussieren, die Brille nachjustieren, die Dinge um einen herum immer wieder neu sehen zu wollen. Es geht ausdrücklich nicht um das Drücken der ESC-Taste und der Menschheit den Rücken zu kehren, sondern um (typisch Lehrer) das Lesen zwischen den Zeilen deines Lebens in einer aus den Fugen geratenen Welt zu üben — die eigentlich wahre Bedeutung des Wortes ent-decken.

Snorkel
Photo by Jakob Owens / Unsplash

Das Serendipitäts-Prinzip, oder: Guxt du!

Googelt man nun Serendipität (oder sein englisches Pendant Serendipity), trifft man nach der etwas armseligen Übersetzung "glücklicher Zufall" durch Google Translator auf den unvermeidlichen Wikipedia-Eintrag gleichen Namens. Klickt man anschliessend bei den Suchresultaten auf das Bildregister, eröffnen sich einem endlose Beispiele aus dem Pinterest-Universum zum Thema, die zeigen, wie viele Menschen sich bereits damit befasst haben, dem Phänomen auf die Spur zu kommen (mindestens 37'900'000 in 0.50 Sekunden!).

Einer meiner Favoriten lautet "A Fortunate Happenstance", nett tönt aber auch "Serendipity doesn't happen to you, but BECAUSE of you", doch die meiner Meinung nach beste Definition stammt nach wie vor vom bereits erwähnten Robert K. Merton:

The discovery through chance by a theoretically prepared mind of valid findings which were not sought for.

Grob übersetzt: "Der Zufall begünstigt nur einen vorbereiteten Geist, welcher Schätze entdeckt, die er nicht gesucht hat."

Wie, fragst du dich zurecht, sieht das aber nun in der harten Realität des Lebens aus? Okay, hier kommt's (ich muss mich sputen, mein 1000 Wörter-Vorrat für diesen Artikel geht bedenklich zu neige).

Dawn dive in Marsa Nakari, Egypt.
Photo by Henrik Hedegaard / Unsplash

Geschenke am Wegesrand, oder: Der Schatz im Acker

Geläufige Produkte von Serendipität sind zum Beispiel die Entdeckung Amerikas, des Penizillins, die Er-Findung des Klettverschlusses oder des Post-it-Klebstoffs (der ja nicht kleben sollte), nur um einige aus einem Riesenkatalog zu nennen (u.a. auch LSD und Viagra, diese aber eher nur für Partikularinteressierte).

Auch Christen operieren noch oft mit dem landläufigen Mindset des sogenannten Zufalls, den Ausdruck "zugefallen" bemühend, dabei spricht der Schöpfer durch sein Universum Bände. Gott wirft nicht beliebig mit Geschenken um sich, sondern serviert sie dir auf dem Silbertablett. Es liegt allein an dir, ob du sie annehmen möchtest.

Das grösste aller serendipitischten Ereignisse war (über-)natürlich die Menschwerdung Gottes in der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus — darauf hatte nun aber wirklich niemand gewartet (obwohl sein Kommen mehrfach vorausgesagt worden war). Auch der Moment in deiner Biografie, wo Er sich dir durch seinen Geist zu erkennen gibt, damit Er das Steuerruder deines Lebens übernehmen darf: Serendipity pur.

Und um alle graue Theorie in den Wind zu schlagen: Ich würde weitere tausend Wörter brauchen, um nur einige der Serendipity-Erlebnisse niederzuschreiben, die mir Gott zuteil hat werden lassen, angefangen mit all den richtigen Menschen, welche Er mir im Laufe meines Lebens zur Seite gestellt hat (das Thema "Familie" ist allerdings eher etwas für Fortgeschrittene), bis hin zu den materiellen Gaben, die nicht nötig gewesen wären, aber den ach so tristen Schweizer Arbeitsalltag bereichern (und wir reden hier nicht von der freien Parklücke vor dem Lidl, gäll — sowas nimmt der HERR aus seiner Portokasse).

Portrait of a Clown Anemonefish at the Cairns Aquarium in Australia.
Photo by David Clode / Unsplash

Hier aber doch noch eine kleine, spezifische Serendipity-Anekdote, die mir kürzlich ("Ist deine letzte Erfahrung mit Gott länger als 24 Stunden her, ist sie zu alt.") buchstäblich vor die Räder kam und am besten beschreibt, wie das Serendipity-Prinzip funktioniert: Wenn du frustriert von einem stressigen Schultag den Heimweg antrittst und beim letzten Kreisel noch durch die typischen orangen Wegweiser (sie weisen dich weg!) umgeleitet wirst und Dinge im Auto sagst, die nur Er hört, um kurz darauf auf das blaue Plakat der Agentur C (die mit der gelben Schrift) zu stossen, auf welchem die Wörter prangen: ICH BIN MIT DIR — dann ist dies Serendipity in ihrer vollendetsten Form.

Zurück zur Geschichte mit den Fischen: Ich denke, dass es in der ICHTHYS-Ausgabe der Bibel eine liquide Version von Psalm 139,5 ("Von allen Seiten umgibst du mich...") geben muss. Eine der besten Visualisierungen dieses Phänomens ist die Szene aus Pixars "Finding Nemo", wo der Clownfisch zusammen mit Dorie via Schildkröten-Taxi im EAC (East Australian Current) Richtung Sydney unterwegs ist. In der Hoffnung, du wüsstest jetzt, was Wasser ist, ermutige ich dich:

Gib dich da rein! Fühlst du den FLOW Gottes?

Na also: Serendipity, eben.

Ramon Baumann

Ramon Baumann

on Twitter known as AirBnC | TriEthnical Cosmopolitan | Husband to Erika | Prodigal Son | Sheep #100 | Apologist | Serendipity Lover | Flotsam/Jetsam Gatherer | PanAllergic | Life Is A Palimpsest

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