Die Welt hält den Atem an. Abwarten ist angesagt. Wann ist es vorbei? Niemand kann es so genau sagen.
"Wie lange geht es noch?" fragte ich damals meine Eltern, wenn wir auf einer Bergwanderung waren oder mit dem Auto unterwegs ins Tessin. Es schien mir endlos vorzukommen. Die Antwort kam oft im Stil von: "Es dauert so lange, bis wir angekommen sind." So kommt es mir gerade auch vor. Ich seh‘ das Ende nicht. Noch nicht. Oder nur verschwommen. Im Frühsommer heisst es, sei es vorbei. Aber wer weiss das schon.
Und wie sieht die Welt nach Corona aus? Geht alles weiter wie bisher? Wohl kaum. Ich kann mir vorstellen, dass das eine oder andere nie mehr sein wird wie zuvor. Nicht das ich das mit Sicherheit weiss. Es ist eher eine starke Vermutung. Wir Menschen durchbrechen den Status Quo oft erst dann, wenn wir etwas unbedingt wollen. Oder wenn der Leidensdruck zu gross wird. Corona gehört wohl zu Letzterem. Wir sind alle irgendwie betroffen davon.
Die einen betrifft es ganz persönlich. Menschen die am Virus erkranken und teilweise auch daran sterben. Nicht selten nach einem Kampf auf der Intensivstation. Es betrifft die Angehörigen, die geliebte Menschen innert kürzester Zeit verlieren. Es betrifft insbesondere alle Ärzte und Pflegenden die bis zum Umfallen ihr Bestes geben. Und alle anderen, die Tag und Nacht arbeiten, um die wichtigsten Pfeiler unserer Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Dann betrifft es auch die, die nicht mehr dürfen. Nicht mehr aus dem Haus. Keine direkten Kontakte mehr pflegen. Abwarten. Zeit vertreiben. Durchhalten. Ich könnte noch lange weiter aufzählen.
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Wir sind uns das hierzulande ja gar nicht gewohnt. Oder nicht mehr. Man hört es immer wieder: "Seit dem zweiten Weltkrieg hat es das nicht mehr gegeben." Über 70 Jahre keinen Krieg in Europa. Was nicht gleich Frieden bedeutet. Aber immerhin. Das gab es zuvor noch nie. Wohlstandsgesellschaft durch Wirtschaftsaufschwung. Eine Ausnahme in der Weltgeschichte. Die allermeisten Menschen in der Menschheitsgeschichte lebten im Bewusstsein, dass Seuchen, Hungersnot und Krieg ihr Leben bedrohen. Dieses Bewusstsein haben wir weitgehend verloren. Doch das Leben ist und bleibt fragil. Zerbrechlich. Wir haben es nicht so sehr unter Kontrolle wie wir meinen.
Heute gilt in der westlichen Welt: "Frei sein ist der Sinn des Lebens!" Gefällt mir! Spannend wird es aber erst bei der Definition von Freiheit. Das Anliegen der Moderne lautet: Der Mensch soll vollständig befreit werden von allen Ansprüchen durch Tradition, Religion, Gemeinschaft und Familie. Dadurch wurden alle Werte relativ und alle Beziehungen zu einem Tauschhandel degradiert. Bedingungslose, selbstaufopfernde Liebe und Solidarität hat da eigentlich gar keinen Platz mehr.
Und dann kommt Corona. Und es bleibt uns nicht viel anderes übrig, als unsere Freiheit für den Schutz der kranken, schwachen und betagten Menschen zu opfern. Das fasziniert mich irgendwie. Auch wenn mir bewusst ist, dass es nur für eine absehbare Zeit so sein wird. Wie würden wir uns wohl verhalten, wenn kein Ende in Sicht wäre? Wenn der totale Zusammenbruch des Systems unaufhaltsam auf uns zu käme? Wären wir dann immer noch so solidarisch?
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Wir sitzen alle im selben Boot. Auch wenn die Corona-Krise sich ganz unterschiedlich auf jeden Einzelnen auswirkt. Es wird offensichtlich, dass unsere globalisierte und hoch technologisierte Welt nicht auf ein solches Szenario gefasst war. Und wie bei jeder grösseren Krise sagen wir: "So etwas haben wir noch nie erlebt." Die Nachteile der Globalisierung treten zu Tage: Ein solches Virus verbreitet sich heute rasant auf dem ganzen Planeten und noch bevor wir realisiert haben was eigentlich passiert, ist es überall und kann nicht mehr gestoppt werden.
"Ist alles nur ein medialer Hype!" sagen die einen. "Das ist der Anfang der Apokalypse! Das Ende der Welt naht!" warnen andere. "Das ist alles bewusst so arrangiert von hinterhältigen Drahtziehern, um den totalen Wirtschaftskollaps herbeizuführen!" behaupten einige. "Die Natur rächt sich an uns Menschen!" wird gerufen.
Wenn du jetzt erwartest, dass ich die Antwort weiss, dann muss ich dich enttäuschen. Ich gebe hier keine vorschnelle Deutung dieser Krise von mir. Bin selber noch mitten drin im Verarbeiten und mich zurechtfinden. Wir leben das Leben ja bekanntlich vorwärts und verstehen es erst rückblickend. Das behauptet zumindest Søren Kierkegaard. Das bedeutet aber nicht, dass wir momentan keine Aussagen über die Bedeutung dieser Corona-Pandemie machen könnten. Aber Erkenntnis bleibt immer Stückwerk. Und wir haben alle Ergänzung nötig. Wir sind alle nur Menschen.
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Als der Pharao im alten Ägypten einen merkwürdigen Traum hatte, konnte niemand ihn deuten. Josef, der mit 17 Jahren zuerst von seinen Brüdern als Sklave verkauft und später durch falsche Aussagen seiner Chefin unschuldig im Kerker landete, war der einzige, der den Traum Pharaos deuten konnte.
»Letzte Nacht hatte ich einen Traum«, erzählte der Pharao ihm, »und keiner kann mir sagen, was er bedeutet. Doch ich habe gehört, dass du Träume deuten kannst, deshalb habe ich dich rufen lassen.« »Es steht nicht in meiner Macht, das zu tun, Majestät«, antwortete Josef, »nur Gott kann es. Aber er wird Ihnen sicher etwas Gutes ankündigen.« 1.Mose 41,15-16
Es steht nicht in meiner Macht... Nur Gott kann es! Ich glaube, wir brauchen die Demut von Josef in dieser momentanen Corona-Krise ganz besonders fest. Josef lebte im Bewusstsein, dass seine Begabungen und Fähigkeiten ein Geschenk Gottes sind. Gott ist die Quelle aller Weisheit, auch für die Corona-Krise. Gott sieht viel weiter als wir. Er weiss wie lange es noch geht. Er hat die richtige Einschätzung der Situation. Er gerät nie in Panik. Und tut auch nicht so, als wäre nichts. Er hat Lösungen parat. Ihn dürfen wir um Weisheit bitten. Auch für die kleinen Dinge im Leben.
Und es liegt in unserer Verantwortung für die Menschen zu beten, welche fortlaufend Entscheide für ganze Nationen fällen müssen. Dass Gott ihnen beisteht und sie mit übernatürlicher Weisheit versorgt, wie er es bei Pharao und Josef tat.
Betet besonders für alle, die in Regierung und Staat Verantwortung tragen.
1. Timotheus 2:2