Die Frage nach der richtigen Kleiderauswahl gehört zu einer Einladung dazu. Doch was ein Fest schlussendlich ausmacht, ist weit mehr als Kleidung.
Am Tag nach einer Hochzeit kam unser Zivi mit in den Gottesdienst. Er betreute unseren behinderten Sohn, wie sonst auch während seinem 4-wöchigen Einsatz bei uns in der Familie. Als er sich die Schuhe anzog, sagte unser ältester Sohn zu ihm: "Du kommst mit kurzen Hosen in die Church (Kirche)? Das geht nicht!" Der Zivi antwortete dann: "Ich werde nicht im Gottesdienst sein, nur bei den Kindern." Doch unser Sohn liess nicht locker und meinte, das sei ja auch Church - KidsChurch!
Ich habe mich dann eingeschaltet und gesagt, dass der Zivi gerne mit kurzen Hosen mitkommen darf und es völlig ok sei. Denn es war mir wichtig, dass er so kommen konnte, wie er wollte und sich wohlfühlte. Er kam schliesslich zum ersten Mal mit. Gleichzeitig freute es mich, dass unser Sohn erkannt hatte, dass nicht nur der eigentliche Gottesdienst im Saal mit Predigt "Church" ist, sondern auch die Sonntagschule, eben diese KidsChurch! Und es offenbarte seine Prägung von uns als Eltern, denn wir ziehen die schöneren Kleider an am Sonntag. Unser Sohn macht das auch, aus freien Stücken.
Mit einem pompösen Kleid auf einer schlichten Hochzeit
Gedanken zum Dresscode sind dies. Beim Kaffee nach dem Gottesdienst wurde dann wieder der Dresscode zum Thema. Dieses Mal ging es nicht um die kurzen Hosen, sondern um das "overdressed" sein, was so viel bedeutet wie, "zu schön angezogen sein" für einen Anlass - wie beispielsweise die Hochzeit vom Tag zuvor. Ich musste schmunzeln und fragte mich, ob man an einer Hochzeit wirklich "overdressed" erscheinen kann, wenn die Braut und der Bräutigam so wunderschön gekleidet sind und es ein Fest ist, das wir feiern. Die Frage nach der richtigen Kleiderauswahl gehört aber irgendwie zu einer Hochzeitseinladung dazu und ich erinnerte mich an ein Erlebnis, als ich mit einem viel zu pompösen Kleid an eine Hochzeit ging... kein gutes Gefühl war das.
Ich gebe offen zu: Was mich an der royalen Hochzeit von Prinz Harry mit Meghan am meisten interessierte, waren die Kleider. Es nahm mich wunder, wer welches Kleid trug, Braut inklusive, aber eben nicht nur die Braut!
Der Dresscode von Pfarrer Sieber
Am selben Abend sah ich die Sendung Reporter auf SF1, wo es um das Leben und Wirken von Pfarrer Ernst Sieber ging. Seine bedingungslose Liebe zu den Randständigen war krass, eindrücklich und vorbildlich. Diese Liebe war gegründet in seinem Glauben an Jesus Christus. Sein Leben war einzigartig und bedeutsam! Als ich seine Kleider mit den Kleidern der Menschen verglich, denen er begegnete, fiel mir auf, dass Ähnlichkeiten bestanden. Pfarrer Sieber war definitiv nicht "overdressed", als er den Randständigen so herzlich und ehrlich begegnete.
Das Kleid der Gnade
Beim Schreiben dieser Zeilen kommt mir das Gleichnis vom Hochzeitsfest in Matthäus 22 in den Sinn. Der König lug ein, doch die Gäste waren zu beschäftigt und kamen nicht zur Hochzeit. So schickte der König die Diener hinaus und sie luden alle von den Strassen ein, die Guten und Bösen, wie es da heisst. Sie bekamen festliche Gewänder und feierten mit dem König die Hochzeit seines Sohnes. Einer kam ohne ein Gewand und wurde wieder fortgeschickt. Das Gewand ist ein Bild für die Gnade von Jesus: Er hat uns vor Gott, dem Vater, gerecht gemacht. Wenn wir diese Gnade für unsere Leben in Anspruch nehmen, können wir mit reinem Gewissen vor den Vater treten - respektive vor den König, wie hier im Gleichnis. Das ist der Dresscode des Himmels, nicht unsere natürlichen Kleider, chic oder schäbig. Gott schaut auf unser Herz und nicht auf unsere äussere Erscheinung. Jesus starb am Kreuz für uns und gab uns dadurch ein neues Gewand, das uns den Zutritt zu Gott ermöglicht.
Jeder ist willkommen
Eine Hochzeit ist ein Fest: Wir feiern die Liebe des Brautpaares.
Ein Gottesdienst ist ein Fest: Wir feiern die Liebe von Gott zu uns Menschen und geben Gott die Ehre. Das Leben von Pfarrer Sieber war getrieben von dieser Liebe und so viele Menschen kamen mit dieser bedingungslosen Liebe von Gott in Berührung. Gleichzeitig erlebten sie praktische Hilfe in ihren Lebenskrisen.
Was erfahren Menschen, wenn sie unsere Gottesdienste besuchen? Ist es auch diese bediungslose Liebe und praktische Hilfe fürs Leben, unabhängig von ihrem Dresscode? Spüren und hören sie diese Einladung vom Vater im Himmel, dem König, der mit den Menschen in Beziehung treten möchte?
Ich werde mich weiterhin schöner anziehen am Sonntag als im Alltag - aus Freude daran und weil ich es zu Ehren Gottes mache. Die Erwartung, dass es andere ebenfalls tun, habe ich abgelegt. Jeder soll willkommen sein und der Einladung des Königs folgen können.